Vierzig Jahre WZB
Die Sozialforschung feiert sich
Wissenschaftliche Feierstunden fallen irrtümlicherweise in die Berichtspflicht von Wissenschaftsredakteuren. Der Sache nach wäre die Opern-, genauer: die Operettenkritik zuständig. Denn bei Feiern wie der gerade abgefeierten zum vierzigjährigen Bestehen des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung (WZB) werden keine Argumente vorgetragen, sondern Arien gesungen. Zum Beispiel gleich mehrfach nach stürmisch nicht gefordertem Dacapo von WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger die Arie "Oselbstlobomio" der Soziologiediseuse aus Verdis "La Triviala". So vollständig dürften die Register höherer Angeberei (siehe F.A.Z. Geisteswissenschaften von heute) selten gezogen worden sein. Die Sozialwissenschaft wird ständig besser, internationaler, vernetzter, einflußreicher. Ein dazu passendes Medley aus Walter Brommes "Donnerwetter, ganz famos" trugen ausgewählte Jungforscher vor, bei denen Forschung von forsch kam, Hauptbegleitinstrument: der Sprücheklopfer. Man stellte sie und sie sich selber auch in einem neckischen Rollenspiel als künftige Staatselite vor, die Bescheid weiß, über die richtigen Steuersätze, die angemessene Zahl an Bundesländern, die optimale Schulform und so weiter. Eindrucksvoll dabei der Basso continuo des Chors der abhängigen Bildungsstatistiker "Wen woll'n wir beraten? Sozialdemokraten!" Dazwischen gab es humoristische Einlagen wie die einer Nachwuchsgruppeninsassin, die sich vorstellen konnte, in zwanzig Jahren seien die neuronalen Grundlagen der Arbeitsmotivation geklärt, wonach gezielte Stimuli für Schulversager beim Übergang zum Arbeitsmarkt in Reichweite rücken. Das WZB sollte dieses Projekt unbedingt in seinem "Brave New World"-Fellowship verankern. Zuguterletzt forderte Ralf Lord Dahrendorf dann noch einen "Kapitalismus der Verantwortung", und dass die Sozialforscher öffentliche Intellektuelle werden müßten. Singe, wem Gesang gegeben
kau
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.02.2009, Nr. 41, S. N5
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