Montag, 31. August 2009

Ohne Maß ist die Freiheit der Ruin

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2009, Nr. 198, S. 29

Ohne Maß ist die Freiheit der Ruin

Mit ein paar Justierungen an den Stellschrauben der Regulierung wird es nicht getan sein: Die Finanzwirtschaft muss in der Krise die Lasten übernehmen - und die Verantwortung.

Von Wolfgang Schäuble

Sechzig Jahre nach ihrer Gründung erleben wir den stärksten wirtschaftlichen Einbruch in der Geschichte unserer Republik. Es ist die erste Wirtschaftskrise, die unsere freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung in Frage zu stellen droht. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir vollständig verstanden haben, wie es zu dieser Systemkrise kommen konnte. Aber wenn wir die Verlässlichkeit des Finanzsystems sicherstellen und wieder begründete Zuversicht für unsere freiheitliche Ordnung gewinnen wollen, kommen wir nicht umhin, Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen und Schlussfolgerungen zu ziehen.

Viele Ursachen der Krise sind diskutiert worden: die laxe Geldpolitik der amerikanischen Notenbank, das sozialpolitisch gewollte Anheizen des amerikanischen Immobilienmarktes, die verhängnisvolle Entscheidung der Securities and Exchange Commission zur Aufhebung der Verschuldungsgrenzen für Wertpapierhandelshäuser, die Refinanzierung und weltweite Verteilung eines gigantischen Hypothekenrisikos durch Verbriefung und sogenannte Finanzinnovationen. Was den deutschen Kontext angeht, wird man einige Punkte ergänzen müssen. Zum Beispiel das Aufblähen der Landesbanken mit öffentlichen Geldern. Unter dem Damoklesschwert künftiger Beschränkungen durch die EU-Kommission wollten einige Landesbanken ein letztes Mal ein großes Rad drehen. Dabei wurden Risiken eingegangen, die nicht vernünftig waren und offenbar auch von den Aufsehern kaum verstanden wurden. Auch die immer weiter gehende Liberalisierung der Regularien für die Finanzindustrie war im Nachhinein betrachtet ein Fehler. Durch diese Entscheidungen wurden Freiräume geschaffen, die nicht verantwortlich genutzt wurden.

Was die tieferen Ursachen sind, daran scheiden sich die Geister. Viele der Übertreibungen, die zur Krise geführt haben, sind nicht ohne die Gier vieler Marktteilnehmer zu erklären und auch nicht ohne die Gier der Anleger, die sich die Chance auf Traumrenditen nicht entgehen lassen wollten - von Investmentfonds über Kleinsparer bis zu klammen Kommunen.

Manche wollen nun die verständliche Empörung hierüber dazu nutzen, den Eigennutz als Antriebsfeder wirtschaftlichen Wachstums in freiheitlichen Wirtschaftssystemen insgesamt zu diskreditieren. Doch wie eine Wirtschaftsordnung ohne gesunden Eigennutz funktionieren soll, kann niemand erklären. Was wir erleben, ist kein Wettstreit der Systeme. Die eigentliche Frage lautet: Wie schaffen wir es, dass in einer Marktwirtschaft Freiheiten verantwortlich genutzt werden?

Seit Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Ludwig Erhard lautet unsere Antwort: mit einer Sozialen Marktwirtschaft, die innerhalb des Marktgeschehens Vorkehrungen für einen verantwortlichen Umgang mit Freiheit trifft und darüber hinaus korrigierende Elemente außerhalb des Marktgeschehens vorsieht. Beide Elemente haben in der Bundesrepublik ganz wesentlich zur Herausbildung einer wirtschaftlich, sozial und politisch zur Mitte hin gerichteten, freiheitlichen und sozialen Gesellschaft geführt.

Auch die globale "Entfesselung der Märkte", die der McKinsey-Berater Lowell Bryan 1996 in seinem Buch "Markets Unbound - Unleashing Global Capital" beschrieb, hatte unter dem Strich positive Folgen für Wirtschaft und Beschäftigung in Deutschland. Der weltweite Abbau von Schranken und Regularien führte zu steigenden Investitionen, zu mehr Wachstum und, trotz des mit der globalen Konkurrenz einhergehenden Standortwettbewerbs, auch zu mehr Wohlstand. Die zunehmende internationale Vernetzung der Volkswirtschaften war für Deutschland mit seinen exportstarken Industrien eine gute Entwicklung. Ohne die Liberalisierung von Handel und Dienstleistungen, darunter auch die der Finanzdienstleistungen, wäre der Wohlstand, den wir heute genießen, nicht denkbar.

Allerdings ist das, was wir bisher als Maximum an Freiheit in unserer Sozialen Marktwirtschaft für richtig hielten, korrekturbedürftig. Wilhelm Röpke hat einmal geschrieben: "Selbstdisziplin, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Fairness, Ritterlichkeit, Maßhalten, Gemeinsinn, Achtung vor der Menschenwürde des anderen, feste sittliche Normen - das alles sind Dinge, die die Menschen bereits mitbringen müssen, wenn sie auf den Markt gehen und sich im Wettbewerb miteinander messen." Das sind hohe Ansprüche, die nicht immer zu erfüllen sind. Die freiheitliche Verfassung - dieser Satz von Ernst-Wolfgang Böckenförde ist zum sechzigsten Geburtstag des Grundgesetzes oft zitiert worden - lebt aber von Voraussetzungen, die sie selbst nicht zu schaffen vermag. Die Finanzkrise zeigt, dass das mutatis mutandis auch für die Soziale Marktwirtschaft gilt.

Das ist keine neue, aber eine wichtige Erkenntnis. Schon Joseph Schumpeter - darauf hat vor kurzem der Philosoph Dieter Thomä hingewiesen - hat in seinem 1942 erschienenen Buch "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" aufgezeigt, dass auch der Kapitalismus, ähnlich wie die Demokratie, kein sich selbst vollständig regulierendes und reproduzierendes System ist. Der Kapitalismus sei vielmehr auf ein gelingendes soziales Leben angewiesen, das er nicht nebenbei aus dem Ärmel schütteln könne. Schumpeter geht noch einen Schritt weiter. Der Kapitalismus sei in der Gefahr, seine Voraussetzungen zu untergraben, indem er die "Zersetzung der schützenden Schichten und Institutionen" von Wirtschaft und Gesellschaft herbeiführe. Die Rationalisierung des gesamten Lebens führe zu einer Art unausgesprochener Kostenrechnung auch im Privatleben und ziehe dadurch zwei verhängnisvolle Entwicklungen nach sich: den Aufstieg des Konsumenten und den Abstieg der Familie.

Heute würden wir vielleicht sagen: Das umlagefinanziert konsumierende Prekariat nimmt zu, die Mittelschicht gerät unter Druck, die wirtschaftliche Dynamik schwächt sich ab.

Schumpeter hat also prophezeit, wie ein Übermaß an Ökonomisierung und Gewinnstreben zur Schädigung der Grundvoraussetzungen von Wachstum und Wohlstand führt. Darüber sollten wir nachdenken. Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und darauf hoffen, dass nun alle für sich etwas aus der Krise lernen und künftig vorsichtiger sind. Der Staat ist in der Verantwortung, als Hüter und Gestalter unserer Wirtschaftsordnung Schlussfolgerungen zu ziehen, wie wir durch mäßigende Vorkehrungen künftigen Übertreibungen vorbeugen können. Wenn wir wirtschaftliche Freiheit erhalten und Dynamik wiedergewinnen wollen, brauchen wir wirksame Vorkehrungen gegen einen exzessiven Gebrauch der Freiheit. Wir müssen dafür sorgen, dass Krisen am Markt nicht systembedrohend für den Markt, Staat und Gesellschaft werden können. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass Akteure Risiken eingehen, die nicht durch ökonomische Substanz aufgefangen werden können.

Auf den internationalen Finanzmärkten ist das möglich gewesen, weil ein Grundsatz missachtet worden ist, der ein ganz wesentliches Anreizsystem für maßvolles Handeln ist: die Haftung desjenigen, der Risiken eingeht. "Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen", hat Walter Eucken gemahnt. Genau das ist durch Praktiken ausgehebelt worden, die zu den Ursachen der Krise zu zählen sind: Die wiederholte Verbriefung von Risiken hat zu einer immer schlechteren Nachvollziehbarkeit der ihnen entgegenstehenden Sicherheiten geführt. Dadurch sind die Risiken unüberschaubar geworden, und als es schiefging, wurde jegliches Vertrauen auch der Banken untereinander zerstört. Wir brauchen also Vorkehrungen, die den Zusammenhang von Nutzen und Schaden, von Risiko und Haftung wiederherstellen. Sinnvoll wäre eine Beschränkung der Weitergabe von Risiken, die ohnehin eher dem Wesen des Versicherungsgeschäfts als dem eigentlichen Bankgeschäft entspricht. Wir werden auch eine bessere Aufsicht über solche Geschäfte brauchen. Und wir müssen sicherstellen, dass keine Risiken eingegangen werden können, die nicht am Ende mit einer ausreichenden Kapitaldeckung unterlegt sind. Vielleicht müssen wir dazu auch das Gesellschaftsrecht und das Strafrecht verschärfen, um Geschäfte zu Lasten Dritter wirksamer abzuschrecken.

Allerdings dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass es mit ein paar Justierungen an den Stellschrauben der Finanzmarktregulierung getan sein wird. Auch eine Überregulierung, die zwangsläufig zu erheblichen Wachstumsverlusten führen muss, würde das Problem nicht lösen. Wir müssen ein weiteres Kernproblem angehen, und das ist die mangelhafte Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Transaktionen und den dahinter stehenden Mechanismen. Viele Anleger haben sich auf hochriskante Geschäfte eingelassen, weil eine "AAA"-Bewertung einer der großen Ratingagenturen suggerierte, verbriefte ausfallgefährdete Kredite seien nicht besonders riskant.

Hier ist die Finanzindustrie gefordert, durch Transparenz die Nachvollziehbarkeit von Bewertungen, Berechnungen und Transaktionen wiederherzustellen. Wenn das nicht passiert, werden sich Banken und Finanzdienstleister nicht von dem Vertrauensschaden erholen, den sie angerichtet haben.

Fortsetzung auf Seite 31.

Mehr Transparenz ist letztlich auch der einzige Schutz davor, dass sich Blasen so lange aufblähen, bis ihr Platzen zur Systembedrohung wird. Die Aufgabe der Bewertung und damit letztlich der Entscheidung über die Vertretbarkeit von Risiken auf Dritte zu verlagern, insbesondere Ratingagenturen, hat nicht funktioniert. Deren Ratingnoten beruhten offenkundig nicht auf ausreichenden Informationen. Die immer weiter zunehmende Spezialisierung und die Informationsrevolution haben im Finanzsystem dazu geführt, dass Intuition und Urteilsfähigkeit vieler tausend Bankmitarbeiter ersetzt wurden durch mathematische Risikomodelle und Risikobewertungen einer kleinen Zahl an Spezialisten. So hat sich in unsere eigentlich auf Dezentralität und Vielfalt zielende marktwirtschaftliche Ordnung eine Zentralisierung eingeschlichen, durch die nicht einmal eine Handvoll Ratingagenturen zu einer Art Zentralrechner des Finanzsystems wurden. Vergeben wurden die Ratingnnoten aber von Menschen - mit all den Fehlern und Irrtümern, die nun einmal menschlich sind.

Die Agenturen und ihre Kunden haben diese Ratingergebnisse gleichwohl für unfehlbar gehalten und auf dieser Grundlage Wetten auf zigfach überzeichneter Kapitalbasis abgeschlossen. Deshalb brauchen wir eine Dezentralisierung der Bewertung von Risiken. Denn wenn es zwangsläufig ist, dass Menschen sich irren, dann ist es besser, wir dezentralisieren Entscheidungen. Im Wettbewerb zeigt sich dann, welche Entscheidungen besser und welche schlechter waren. Die Besseren gewinnen, und das Scheitern der Schlechteren reißt nicht gleich alle in den Abgrund.

Auch dem Konzentrationsprozess in der Finanzindustrie müssen wir entgegenwirken. Er hat insbesondere im britisch-amerikanischen Bankensektor Einheiten geschaffen, die sich nicht nur als "too big to fail" erwiesen, sondern auch als "too big to function". Sie waren nicht mehr in der Lage, die von ihnen eingegangenen Risiken zu übersehen und in verantwortbaren Grenzen zu halten. Zugleich wurde durch mangelnden Wettbewerb offenbar der Preisfindungsmechanismus eines funktionierenden Marktes ausgehebelt. Er hätte Überbewertungen zumindest dieser Größenordnung verhindern müssen. Statt über eine Verstaatlichung weiterer privater Banken oder eine Konzentration staatlicher Banken nachzudenken, müssen wir Dezentralität und Subsidiarität auch im Finanzwesen stärken.

Wenn wir die Krise bewältigen und die von Schumpeter umschriebenen Voraussetzungen unserer Sozialen Marktwirtschaft erhalten wollen, brauchen wir außerdem wieder stärkere Anreize für nachhaltiges Wirtschaften. In vielen börsennotierten Unternehmen hat sich im Zuge der Entfesselung der Märkte und der Verabsolutierung des Gewinnstrebens ein kurzfristiges, kurzsichtiges Denken durchgesetzt. In der Finanzindustrie etwa entfallen die meisten Bonuszahlungen auf Transaktionen, deren Profitabilität heute nur vermutet werden kann. Ebendeshalb gibt es für viele Papiere, die vor einem Jahr noch einen funktionierenden Markt hatten, aktuell keine Käufer. Sie hängen, auf der Basis komplexer mathematischer Verknüpfungen, von der Entwicklung bestimmter Faktoren ab - etwa vom Preis bestimmter Rohstoffe oder der Entwicklung der Nachfrage für bestimmte Produkte. Wenn aber die Grundlage dieser Papiere schwankungsanfällig ist, spricht vieles dafür, auch die Anreize, die über den Mechanismus des Eigeninteresses wesentlich zum Verkauf der Papiere beitragen, an das Schwanken zu koppeln. Dann materialisiert sich die Provision für einen Verkauf nicht schlagartig, sondern über Zeit und in genau dem Maße, in dem sich Wertschöpfung einstellt. Dann führt der Mechanismus des Eigeninteresses zu einem Wettbewerb um wirklich nachhaltig wirtschaftliche Anlagen.

Grundsätzliche Fragen stellen sich aber nicht nur in der Finanzindustrie: Was hilft es einem Unternehmen, wenn es bestimmte Steigerungsraten erreicht, dabei aber die Eigenkapitalbasis ausgelaugt wird? Rechtfertigt ein höherer Marktanteil Vertriebsmethoden, die zu scharfen Konflikten mit Wettbewerbern, Mitarbeitern und Kunden führen? War der Nutzen, den bestimmte Unternehmen aus der Überwachung der Aktivitäten von Mitarbeitern gezogen haben, wirklich größer als der Verlust an Mitarbeitermotivation, Kundenbindung und öffentlichem Vertrauen? Auch die Geschichte zweier Familienunternehmen, die mit Hilfe des Kapitalmarkts zwei weit größere Unternehmen schlucken wollten, führt hoffentlich zu einem Umdenken und zu nachhaltigeren Anreizstrukturen in den Unternehmen. Ob das gelingt, wird in vielem davon abhängen, wer die Lasten für die Bewältigung der aktuellen Krise trägt. Hier sind in erster Linie Finanzdienstleister und Anleger gefragt.

Offenkundig haben wir auch einen Punkt erreicht, wo es ohne den Staat nicht mehr geht. Das darf aber nicht gleichbedeutend sein damit, dass die Steuerzahler auch für alle Kosten notwendiger Rettungsmaßnahmen aufkommen. So würde nicht nur gegen ein elementares Gerechtigkeitsprinzip verstoßen; zugleich würde ein Anreizsystem dafür geschaffen, so weiterzumachen wie bisher. Deshalb habe ich mich innerhalb der Bundesregierung dafür eingesetzt, bei allen Stabilisierungsmaßnahmen zwei elementare Prinzipien unserer Sozialen Marktwirtschaft einzuhalten: Subsidiarität in der Aufarbeitung durch den Grundsatz der Freiwilligkeit und Rückbindung des Ergebnisses der Aufarbeitung an das Kapital derjenigen Unternehmen, die nicht ohne Hilfe des Staates stabilisiert werden können. Jede andere Lösung würde aus meiner Sicht zwei Grundprinzipien unserer freiheitlichen Ordnung gefährden: die Allgemeinverbindlichkeit und die allgemeine Akzeptanzfähigkeit der Regeln in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Schon die Philosophen der Antike sahen darin den Schlüssel zu einem intakten Gemeinwesen. In der Geschichte unseres Landes war es genau dieses Einverständnis, das die unglaubliche Aufbauleistung nach der totalen Niederlage und moralischen Zerstörung des Zweiten Weltkriegs möglich gemacht hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Krise die Akzeptanz des Rechts und das Bejahen unserer freiheitlichen Ordnung untergräbt.

Wir müssen aufpassen, dass wir auf sie auch nicht überreagieren und in ein anderes Extrem verfallen. Noch schlimmer für das Vertrauen der Menschen in unsere Ordnung wäre es nämlich, wenn der Staat durch Überschuldung seine Handlungsfähigkeit einbüßen würde. Nur wenn der Staat leistungsfähig bleibt, kann er auch erfüllbaren Erwartungen gerecht werden. Dazu muss er sich auf Notwendiges beschränken.

Die Entfesselung der Märkte hat auch dazu geführt, dass viele dachten, erst das Maximum sei genug. Wer vom rechten Maß, von Mitte und Balance sprach, galt bestenfalls als gestrig. Jetzt, wo die gewaltigen Risiken des Hinterherjagens nach Extremen - seien es Renditen, Steigerungsraten oder Lohnzuwächse - deutlich geworden sind, gibt es vielleicht die Chance auf einen neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Konsens. Voraussetzung dafür ist, dass neues Vertrauen entsteht. Hier sind besonders all jene gefordert, die in unserer Gesellschaft eine herausgehobene Position innehaben. Aufgabe beruflicher Eliten ist es immer auch, ein Berufsethos zu entwickeln, das ihr eigenes Handeln mit allen seinen Konsequenzen in Beziehung zur Gesellschaft setzt.

Vielleicht hat man bei der Deregulierung versäumt, den von diesem Freiheitsgewinn besonders profitierenden Eliten die Notwendigkeit eines Ethos zu verdeutlichen. Ohne Ethos gehen nicht nur verantwortlichem Handeln zugrundeliegende Prinzipien verloren, sondern auch der Eigenwert eines Berufsstandes in einer freiheitlichen Gesellschaft. Ohne verantwortliche Berufsstände gerät die Berufswelt zum Einerlei; die von ihnen erbrachten Dienstleistungen werden verwechselbar und beliebig ersetzbar.

Weil Diversifizierung Nachhaltigkeit sichert, sollten wir ordnungspolitisch nicht alles über einen Leisten schlagen. Markt und Wettbewerb sind die Voraussetzung für wirtschaftliche Effizienz. Eine Ordnung, die Vielfalt gewährleistet, stabilisiert diesen Rahmen. Deswegen sollten wir weder unter dem Stichwort "Deregulierung" jede berufsrechtliche Ordnung bei freien Berufen wie dem Handwerk abschaffen noch unter überzogenen Renditeerwartungen die Gliederung unseres Bankensystems grundsätzlich in Frage stellen.

Auch eine Rückbesinnung auf die Raison d'être des Finanzwesens ist im ureigensten Interesse der Finanzindustrie selbst. Nicht das Leitbild des Bankers, sondern des Bankiers sollte wieder Vorbild sein. Wenn wir die von Schumpeter umschriebenen Voraussetzungen unserer Ordnung schützen wollen, brauchen wir eine neue Kultur der Mäßigung und Verantwortung. Ohne Grenzen und ohne die freiwillige Einhaltung von Grenzen kommt keine freiheitliche Ordnung aus.

Die wirksamste Vorkehrung gegen Schumpeters "Zersetzung" der Voraussetzungen unserer Ordnung sind letztlich nicht Gesetze und Vorschriften, sondern Werte, die wir in Familie und Gesellschaft glaubhaft leben und vermitteln müssen. Dieter Thomä spricht von "uralten, ewig jungen, Tag für Tag sich bewähren sollenden Vorstellungen vom guten Leben". Für mich als Christdemokraten sind es die Orientierung an Maß und Mitte, die Vermeidung von Übertreibungen und die Besinnung auf das bonum commune unserer Republik, den Einklang von Freiheit und Verantwortung.

Der Autor ist Bundesminister des Innern.

Kastentext:

Wir dürfen im Namen der "Deregulierung" nicht jede berufsrechtliche Ordnung bei freien Berufen wie dem Handwerk abschaffen.

Die Geschichte zweier Familienunternehmen, die weit größere Unternehmen schlucken wollten, führt hoffentlich zum Umdenken.

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Samstag, 29. August 2009

Mrągowo


Rechts: Wieża Bismarcka w Mrągowie / Bismarckturm in Mrągowo


D: Mrągowo (bis 1947 Ządźbork) (deutsch Sensburg, masurisch Ządźbork) ist eine Stadt in Polen in der Woiwodschaft Ermland-Masuren etwa 60 km östlich von Olsztyn. Die Stadt und deren Umgebung sind ein beliebtes touristisches Reiseziel.


Geschichte

Um 1348 errichtete der Deutsche Orden eine hölzerne Burg, die Sensburg in der Gegend des heutigen Mrągowo. Ihr Name weist jedoch auf eine vorherige ältere Siedlung (prußisch „sena“, „senas“: alt, altertümlich) hin. Durch diese Burg entwickelte sich eine Siedlung, die 1397 erstmals urkundlich erwähnt wurde und möglicherweise bereits 1404 bis 1407 das Stadtrecht nach Kulmer Recht erhielt. Gesichert ist die (erneute) Vergabe des Stadtrechtes 1444 vom Hochmeister Konrad von Jungingen. Der Name des Ortes war damals bereits Sensburg. Die Lebensgrundlage für den Ort lieferten vor allem die umliegenden Wälder sowie die Landwirtschaft.

Während des 16. und 17. Jahrhundert zerstören mehrfach Brände die Stadt, so 1568, 1693 und 1698. 1657 wütete die Pest, von 1708 bis 1711 eine Cholera-Epidemie in der Stadt. Auch während der Napoleonischen Kriege mit Russland wurde der Ort abermals zerstört.

1818 wurde Sensburg Sitz des Landkreises Sensburg und 1897 erhielt der Ort Anschluss an das Eisenbahnnetz. Bei der Abstimmung am 11. Juli 1920 im Abstimmungsgebiet Allenstein wurden in Stadt und Kreis Sensburg 34.334 Stimmen für den Verbleib bei Deutschland und nur 25 für den Anschluss an das wiedergegründete Polen abgegeben (bei der Volkszählung 1890 waren dagegen noch 65% der Bevölkerung des Kreises der polnischen Nationalität zugerechnet worden).

Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Stadt am 26. Januar 1945 von der Roten Armee eingenommen und dabei zu etwa 20% zerstört. Am 28. Mai 1945 wurde die Stadt in polnische Verwaltung übergeben und der Großteil der verbliebenen deutschen Bevölkerung, soweit nicht bereits geflohen, vertrieben. Die Stadt erhielt zunächst den polnischen Namen Ządźbork, 1947 wurde sie dann zu Ehren des Sprachforschers Christoph Cölestin Mrongovius (1764–1855) in Mrągowo umbenannt.

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PL: Mrągowo (dawn.: pol. Ządzbork/Ządźbork/Żądzbork, niem. Sensburg) – miasto i gmina w województwie warmińsko-mazurskim, w powiecie mrągowskim. W latach 1975-1998 miasto administracyjnie należało do województwa olsztyńskiego.

Miasto słynie z corocznie organizowanego Pikniku Country i jest popularnym ośrodkiem turystycznym i wypoczynkowym na Mazurach.

Historia

Teren, na którym powstało Mrągowo nosi nazwę Galindii od nazwy staropruskiego plemienia, zamieszkującego obecną ziemię mrągowską.

Niedokończone badania archeologiczne w latach 30. prowadzone przez archeologów z Uniwersytetu Królewieckiego potwierdziły legendę przekazywaną z pokolenia na pokolenie, że pierwsza osada znajdowała się na wyspie jeziora Czos (obecnie Półwysep Ostrów).

Od początku istnienia jak większość Galindii podlegała administracji w Szestnie, które było siedzibą wójta – prokuratora krzyżackiego pełniącego funkcję administratora z ramienia komtura bołgijskiego.

Nie zachował się dokument lokacyjny, co nie pozwala określić dokładnej daty założenia miasta. Na jednej z pieczęci miasta figuruje rok 1348. Wiadomo zaś, że w latach 1404-1407 komtur bałgijski Jan von Sayn, lokował miasto na prawie chełmińskim, a wielki mistrz krzyżacki Konrad von Jungingen nadał tej miejscowości prawa miejskie. 20 lutego 1444 roku Konrad von Ehrlichskansen w Szestnie na prośbę mieszkańców odnowił pierwotny przywilej lokacyjny miasta Mrągowa, od którego przyjęła się data nadania praw miejskich. Mrągowo podobnie jak wiele innych miast pruskich przeżywało wzloty i upadki. Palone było przez Litwinów, trawione przez liczne pożary, dziesiątkowane przez epidemię i inne kataklizmy.

Jednak nadanie praw miejskich pozwalało na prowadzenie swobodnej działalności gospodarczej, chociaż odległość między Mrągowem, a Szestnem nie przekraczała 5 kilometrów. Władzę w mieście sprawował burmistrz z radą założoną z sześciu rajców, wymienionych po raz pierwszy w 1444 roku w dokumencie. Sądownictwo miejskie sprawowała ława złożona z sześciu ławników. Przywilej lokacyjny przewidywał planową zabudowę miasta w trudnych warunkach terenowych między jeziorami. W pobliżu Rynku (obecnie plac M. Kajki) był zbudowany kościół parafialny istniejący od 1409 roku. Proboszczem parafii w 1485 roku ksiądz Stanisław, niewątpliwie Polak. W pobliżu miasta znajdowała się kaplica św. Jerzego należąca do braci zakonnych. W południowej części miasta (obecnie osiedle Nikutowo) istniał duży jak na owe czasy browar miejski. W latach 1454-1466 podczas wojny trzynastoletniej Mrągowo było wiele razy grabione i niszczone. Po wojnie przypadło w państwu krzyżackiemu.

Miasto zostało w 1520 roku zdobyte i spalone przez oddziały polsko-czeskie. W roku 1527 w wyniku zniszczeń Książę Albert Hohenzollern nadał przywileje w celu złagodzenia szkód poniesionych przez miasto podczas wojny. W kolejnych latach Mrągowo nękały pożary skutkiem czego było ubożenie ludności.

W 1754 roku wybudowano nowy kościół, rozwijała się szkoła miejska podporządkowana miejscowemu proboszczowi. W latach 1719-1733 podczas wojen prowadzonych przez Prusy w mieście stacjonował 4 pułk kirasjerów, w 1740 roku 3 pułk huzarów, a w latach 1746-1772 7 pułk huzarów. W latach 1770-1792 przebywał tu 9 pułk Bośniaków (budynek w którym mieściła się ich strażnica istnieje do dziś przy pl. Kajki). W 1786 roku założono cmentarz miejski. Zbudowano spichlerz przy dzisiejszej ulicy Roosevelta. Pomimo częstych wojen w tych latach miasto wzbogacało się o nowe domy parterowe rzemieślników i wokół rynku nie było już miejsca do zabudowy. W 1812 roku przez miasto przemaszerowały wojska Napoleońskie, które dokonały wielu zniszczeń i zubożyły okolicę. Dotychczas przeważająca ilość ludności polskiej zaczęła maleć w związku z usuwaniem języka polskiego ze szkół oraz nacisku miejscowej administracji niemieckiej. Mrągowo już od dłuższego czasu było przygotowane na siedzibę powiatu.

Już w 1800 roku kilku urzędników przeniosło swoje urzędy z Szestna do Mrągowa. W 1830 roku połączono sąd miejski z sądem powiatowym w Szestnie. 1 września 1818 roku Mrągowo stało się siedzibą powiatu. Pierwszym starostą był kapitan w stanie spoczynku August Lyśniewski. Starostwo mieściło się w jednym z budynków przy Rynku, który został strawiony przez pożar. Wzrastały potrzeby mieszkańców miasta i okolicznych wsi. W roku 1819 założono pierwszą aptekę aptekarza Graape (obecnie apteka pod orłem). Pomyślny rozwój miasta przerwał z 23 na 24 marca 1822 roku wielki pożar, który zniszczył ponad połowę zabudowań. Dzięki pożyczkom zaciągniętym przez rzemieślników i władze miasta z banku w Królewcu – miasto zaczęto odbudowywać i rozbudowywać w kierunku północnym. 3 sierpnia 1825 roku oddano do użytku ratusz do którego przeniosło się starostwo i sąd. W tym samym roku zbudowano również nową szkołę przy ulicy Kościelnej. W latach 30. panowały zarazy cholery na którą w Mrągowie zmarło około 40 osób. W kolejnych latach do miasta napływał ludność żydowska oraz Filiponi z okolic Wojnowa i Olecka. Przybywało również ludzi wyznania katolickiego. W 1860 roku poświęcony został nowy kościół rzymskokatolicki. Ważnym wydarzeniem było otwarcie 1 maja 1887 roku kolei wąskotorowej łączącej Mrągowo z Kętrzynem, a w 1888 linii kolejowej łączącej Mrągowo z Biskupcem i Rucianem przez Piecki. W roku 1889 powstała gazownia nad jeziorem Czos, dzięki której ulice miast zostały oświetlone, oraz koszary, w których mieściła się szkoła policyjna.

W roku 1900 miasto posiadało już wodociągi i kanalizację. W 1903 roku do użytku oddano nową szkołę oraz szpital. Burmistrz Hermann Jaenike dbał o estetyczny wygląd miasta. Na jego cześć wzgórze na, którym za jego rządów wybudowano wieże widokową Bismarcka nazwano jego nazwiskiem. W 1905 roku w lesie nad jeziorem Juno wybudowano amfiteatr oraz wiele obiektów o charakterze rekreacyjnym (obecnie Park im. Słowackiego). Las, a właściwie park był oświetlony setkami kolorowych lampionów, były piękne ścieżki spacerowe, place zabaw, restauracje, a w latach 30. nawet sanatorium. Nad brzegiem jeziora Juno i w parku odbywały się różne imprezy sportowe, kulturalno-rozrywkowe itp. W latach 1912-1913 oddano do użytku gmach starostwa.

W czasie I wojny światowej koszary w Mrągowie zostały zajęte przez Rosjan. Po zakończeniu wojny aż do roku 1920 nie było w mieście stabilizacji, co utrudniało normalny rozwój. 11 listopada 1920 roku przeprowadzony został Plebiscyt w, którym zwyciężyli Niemcy. W latach 20. rozpoczęto budowę reprezentacyjnych gmachów szkół średnich, domów mieszkalnych oraz hoteli. Lata II wojny światowej były wyjątkowo trudne z powodu dokonywania tzw. czystek wśród społeczeństwa pod względem lojalności wobec polityki Hitlera. Szczególnie postępowano z ludnością wykazującą polskie postawy narodowe. Aresztowano i wywożono do obozów koncentracyjnych. W szczególnie brutalny sposób został zabity działacz polski Julian Jaskółka. Życie kulturalne i towarzyskie zupełnie zanikło, setki młodych mężczyzn zostało wcielonych do Wermachtu. Mrągowo było miejscem obozu jeńców wojennych polskich, francuskich, włoskich i rosyjskich, miejscem obozów pracy składających się głównie z Polek i Polaków przywiezionych na przymusowe roboty. 27 stycznia 1945 roku miasto zostało zdobyte i zniszczone przez Armię Czerwoną w około 20%. W lipcu 1945 roku urząd burmistrza objął polski repatriant z Wileńszczyzny Feliks Guis, który wspólnie z pierwszym starostą Czesławem Krzewińskim przywracał miasto do życia. Miejsce wyjeżdżającej ludności autochtonicznej lub ubyłej w czasie działań wojennych zaczęli zajmować Polacy z Kurpiowszczyzny, województw Centralnej Polski oraz wysiedleńcy z Kresów Wschodnich Polski. Pomimo, że w Mrągowie nie było działań wojennych, miasto zostało spalone tuż po wyzwoleniu. W 1947 roku Komisja Zmiany Nazw Miejscowości nadała dla miasta polską nazwę Mrągowo na cześć Krzysztofa Celestyna Mrongowiusza.

Texte: Wikipedia D & PL


Samstag, 22. August 2009

Sushi



Rechts: Hangiri, der Holzbottich, in dem traditionell der gekochte Reis zum Abkühlen eingefüllt wird


Links: Selbstgemachte Sushi


Sushi ist ein japanisches Gericht, das hauptsächlich aus erkaltetem, gesäuertem Reis, mit entweder rohem oder auch geräuchertem Fisch und oftmals Nori (getrockneter und gerösteter Seetang) besteht und in mundgroßen Stücken optisch ansprechend serviert wird. Andere mögliche Zutaten sind, je nach Art des Sushis, Meeresfrüchte, Gemüse, Tofuvarianten und Ei.


Sushi ist in den letzten Jahrzehnten auch in westlichen Ländern populär geworden. Das hat zu Verzehrgewohnheiten geführt, die sich von denen in Japan unterscheiden. Während in Japan Sushi traditionell mit der Hand gegessen werden, verwenden die meisten westlichen Konsumenten Stäbchen. Auch die verwendeten Zutaten haben sich geändert. Zu den bekanntesten westlichen Kreationen zählt die „California Roll“ oder „Ura-Maki“ (dt. „von innen gerollt“), die mit Lachs oder Surimi, Avocado oder Gurke gefüllt sind. Bei diesen Sushi umgibt ein mit Sesam (goma) oder Fischeiern bestreuter Reismantel den in Nori gewickelten Inhalt. Diese Sushi-Variante hat ihren Ursprung vermutlich unter japanischstämmigen Amerikanern an der Pazifikküste der USA. Zu den ebenfalls durch westliche Verzehrgewohnheiten bedingten Adaptionen des traditionellen Sushi gehört die Verwendung von Fleisch wie etwa Roastbeef oder eine Verwendung von Obst wie Mangos in Kombination mit Fisch.


Das Substantiv Sushi (gesprochen mit stimmlosem "s") wird bei Wortzusammensetzungen wie z. B. bei Nigiri-Zushi oder Chirashi-Zushi stimmhaft „zushi“ gesprochen. Dieses phonetische Phämomen nennt man Rendaku, wobei das Schriftzeichen nicht verändert wird. Ferner wird es heutzutage meist mit den Schriftzeichen 寿司 geschrieben, wobei das erstere Zeichen "langes Leben" bedeutet. Es gibt eine aus der Edo-Zeit stammende Theorie, dass das Wort Sushi von dem gleichlautenden, altjapanischen Adjektiv sushi (modernes Japanisch: sui), was „sauer, säuerlich“ bedeutet.


Sushi ist kein ursprünglich japanisches Gericht, sondern hat seinen Ursprung in einer Konservierungsmethode für Süßwasserfisch, die von den Bewohnern entlang des südostasiatischen Flusses Mekong entwickelt wurde. Der ausgenommene und gesäuberte Fisch wurde in gekochtem Reis in Gefäßen eingelegt, wo er fermentierte. Der durch den Fermentierungsprozess säuerlich gewordene Reis wurde vor dem Verzehr des Fisches weggeworfen. Der so eingelegte Fisch war jedoch bis zu einem Jahr haltbar. Ausgehend vom Mekong-Fluss wurde diese Konservierungsmethode auch in anderen Regionen Chinas populär und breitete sich von da aus bis nach Japan aus. In China hat sich diese Konservierungsmethode nicht bis heute gehalten. Sowohl in Thailand als auch auf Taiwan wird immer noch Fisch gegessen, der mittels dieser Methode haltbar gemacht wurde.


Ein japanisches Regierungsdokument erwähnt Sushi bereits im Jahre 718. Bis gegen Ende des 9. Jahrhunderts war es auch in Japan überwiegend Süßwasserfisch, der in dieser Weise konserviert wurde. Die als Funazushi bezeichnete japanische Spezialität hat sich aus dieser Konservierungsmethode entwickelt. Funazushi ist ein traditionelles Gericht, das in der Präfektur Shiga gegessen wird. Verwendet werden dafür weibliche Karauschen, die im Biwasee gefangen werden. Der im Reis fermentierte Fisch hat einen sehr intensiven Geruch und schmeckt scharf säuerlich. Der Ursprung des Sushis hat gemeinsame Wurzeln mit Funazushi, da Fisch zunehmend weniger lang im Reis fermentiert wurde und etwa ab dem 14. Jahrhundert bereits zu einem Zeitpunkt verzehrt wurde, bei dem das Fischfleisch noch verhältnismäßig frisch war und auch der Reis noch essbar war. Gegen Ende der Muromachi-Zeit (1336–1573) würzte man den Reis für diese frühen Formen von Sushi zunehmend mit Reisessig. Damit war ein Fermentierungsprozess, der den Reis säuerte, nicht mehr notwendig.


Die heutige Form des Sushi entstand in Edo (dem heutigen Tokio), wo sich etwa ab dem 18. Jahrhundert immer mehr Menschen auch den teureren frischen Meeresfisch leisten konnten, welcher zudem am Hafen mit Reis angeboten wurde: heute als Nigiri-Zushi bekannt. Abgeschlossen war die Entwicklung zum modernen Sushi dann im frühen 20. Jahrhundert, aber auch heute experimentieren japanische Köche mit neuen Varianten.


Sushi wurde erst während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in westlichen Ländern populär. Die ersten Sushi-Restaurants in westlichen Ländern zielten vornehmlich auf eine japanische Kundschaft ab, die im Ausland lebte. Nach heutigem Wissensstand eröffnete die erste Sushi-Bar im Jahre 1966 in dem japanischen Restaurant Kawafuku in Little Tokyo, Los Angeles. Die Eröffnung war eine Idee des US-Amerikaners Noritoshi Kanai, der japanischer Abstammung war und für die Mutual Trading Company im Exportgeschäft Japan-USA arbeitete. Noritoshi Kanai konnte einen traditionell ausgebildeten Sushi-Koch überzeugen, sich in Los Angeles niederzulassen und dort diese Bar zu verantworten. Die Beschaffung von geeignetem Fisch für die Sushi-Bereitung stellte sich anfangs als Problem dar. Noritoshi Kanai ließ frische Ware vor allem aus Tokyo einfliegen. Zu dieser Zeit war der Transport von Lebensmitteln auf Grund der hohen Transportkosten noch sehr außergewöhnlich.


Für die Zubereitung von Sushi wird üblicherweise Reis der Unterart japonica (Oryza sativa ssp. japonica) verwendet, der gute Klebeeigenschaften besitzt. Von dieser Unterart sind eine Reihe unterschiedlicher Sorten im Handel. Normalpreisige Sushi-Restaurants verwenden meist eine mittelkörnige Sorte, bei denen das einzelne Reiskorn zwei bis dreimal so lang ist wie breit. Dieser Reis ist zwar nicht optimal für die Herstellung von Sushi, weil er sich weniger gut formen lässt, er ist aber preisgünstiger als die für Sushi besser geeigneten Sorten, bei denen das Reiskorn rundlich ist. Die für die Herstellung von Sushi am meisten geschätzte Sorte ist Koshihikari. Gekochte Reiskörner dieser Sorte haben eine dichtere und festere Struktur als die anderer Sorten. Die Qualität und der Preis des verwendeten Reises hängen auch davon ab, wie gering der Anteil an Reiskörnern ist, die im Verarbeitungsprozess beschädigt wurden. Qualitativ hochwertiger Reis für Sushi wird heute nicht nur in Japan angebaut. Große Anbaugebiete finden sich unter anderem auch in den USA.


Der Reis wird vor der Zubereitung gründlich gewaschen. Dieser Schritt ist notwendig, weil das einzelne Reiskorn durch den Verarbeitungsprozess nach der Ernte mit einer dünnen Schicht Stärke überzogen ist. Ungewaschen würde dieser Reis zu sehr kleben. Es gibt keine einheitliche Vorgehensweise, wie diese überflüssige Stärke entfernt wird. Einige Sushiköche lassen den Reis zwischen 30 und 60 Minuten in kaltem Wasser aufquellen. Andere bevorzugen es, einfach kaltes Wasser für etwa 10 Minuten über den Reis laufen zu lassen. Der Reis wird anschließend mit einem Stück Kombu gekocht. Sushi-Restaurants, die ihren Reis selber kochen, verwenden gewöhnlich einen elektrischen Reiskocher, in dem der Reis mit etwas weniger Wasser gegart als sonst üblich. Sushi-Reis, der auf dem Herd zubereitet wird, wird meist mit der Quellmethode gekocht. Dabei wird der Reis bei geschlossenen Deckel und mittlerer Herdtemperatur aufgekocht. Er quillt dann für einen weiteren Zeitraum bei niedriger Herdtemperatur und wird danach vom Herd gezogen. Meist lässt man ihn dann für einen weiteren Zeitraum nachgaren.


Der gegarte Reis wird in einen Holzbottich (Hangiri) gefüllt und mit einer Würzmischung (Sushi-zu) aus Reisessig, Salz und Zucker versetzt. Mit einem speziellen Löffel, dem Shamoji, werden mit schnellen Bewegungen in Quer- und Längsrichtung Furchen in den Reis gezogen, um die Mischung gleichmäßig im Reis zu verteilen. Um den charakteristischen Glanz der einzelnen Reiskörner zu erhalten, ist es notwendig, den Reis möglichst rasch abzukühlen. Dies erreicht man durch die wegen der Furchen vergrößerte Oberfläche während des Mischens und durch das gleichzeitige Zuführen kalter Luft mit einem runden Fächer (Uchiwa). Der Sushi-Reis wird bis zur Verwendung mit einem feuchten Tuch abgedeckt, damit er nicht austrocknet. Die weitere Verarbeitung hängt von der Art des Sushi ab.


Neben der traditionellen Zubereitungsweise wird für Supermärkte, Hotels, Cateringunternehmen und Sushi-Restaurants der Reis auch industriell vorgekocht und entweder als Reismasse in großen Behältern oder als vorgefertigte Reisrechtecke ausgeliefert. Letztere müssen vor dem Verkauf an den Endkunden nur noch belegt werden.[6] In Supermarkt angebotene Sushi-Platten sind in der Regel bis zu drei Tage haltbar. Für sie wird jedoch kein roher unbehandelter Fisch verwendet, sondern in der Regel geräucherter Lachs, gekochten Garnelen oder Surimi. Mittlerweile wird Sushi auch als Tiefkühlprodukt angeboten, das vor dem Verzehr aufgetaut wird.


Die traditionelle Art, Sushi zu essen, unterscheidet sich in Japan von der Verzehrweise, die sich in westlichen Ländern eingebürgert hat. Allerdings unterliegt die Verzehrweise in Japan auch einem Wandel, da sich Sushi auch hier zu einem Schnellimbiss entwickelt hat. In Japan wird Sushi traditionell mit der Hand gegessen.

Wasabi und Sojasauce werden in der Regel nicht miteinander vermischt, sondern separat zur Würzung jedes einzelnen Sushi verwendet. In Sushi-Restaurants der gehobenen Preisklasse würzt der Sushikoch das einzelne Sushi bereits so, dass von dem Kunden weder das einzelne Sushi in Sojasauce getunkt wird noch Wasabi hinzugefügt wird. Wenn der Gast selbst Sojasauce verwendet, dann betropft er Nigiri-Sushis entweder einzeln oder taucht die Fisch-Seite des Nigiri-Sushis in die Sauce, auf keinen Fall aber die Reis-Seite, wie oft in Deutschland zu beobachten. Reine Sojasauce ist geschmacklich sehr intensiv und kann den Geschmack von rohem Fisch verdecken. Sushiköche verwenden daher häufig eine eigene Saucenmischung, die meist aus Sojasauce, Dashi, Sake und Mirin besteht. Diese Mischung wird gewöhnlich erhitzt und ein wenig reduziert. Sie wird abgekühlt verwendet, um den bereits auf dem Reis liegenden rohen Fisch damit einzupinseln.[7] Ebenso fügt der Koch bereits die von ihm als richtig empfundene Menge Wasabi dem Sushi hinzu. Bei fettem Fisch wird dabei mehr Wasabi verwendet als bei magerem.[8] Eingelegter Ingwer, der sogenannte Gari, wird zwischen den einzelnen Sushi gegessen, um den Geschmack der unterschiedlichen Fische zu neutralisieren.

Sushi werden nicht abgebissen, sondern in einem Stück in den Mund geführt. Üblicherweise besteht eine Sushi-Mahlzeit aus verschiedenen Sushi-Varianten. Obwohl keine Vorschriften zur Reihenfolge des Verzehrs bestehen, beginnt man häufig mit einem Omelette als Belag, darauf folgen fettarme Fische mit weißem Fleisch und gesäuerte Fische wie Hering und Makrele. Dann kommen rotfleischige Fische wie fettarmer Thunfisch; das Ende des Mahls bestreiten die fetteren Arten, auch vom Thunfisch.


Eine beliebte Speise zu Sushi ist die Misosuppe, die auch als Vorspeise serviert wird; verbreitete Getränke zum Sushi sind Bier (in Japan beispielsweise Asahi oder Kirin) sowie Grüner Tee.

In westlichen Ländern ist es dagegen üblich geworden, Sushi mit Stäbchen zu essen. Dies macht es für einen Sushikoch notwendig, die einzelnen Rollen sehr viel fester zu rollen.


Text: Wikipedia

Donnerstag, 13. August 2009

..vor der Tyrannei der Mehrheit schützen

Ein Gespräch mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger James M. Buchanan


Wir müssen uns vor der Tyrannei der Mehrheit schützen

Am 3. Oktober wird James M. Buchanan neunzig Jahre alt. Im Gespräch blickt der politische Philosoph zurück: auf seine Südstaaten-Mutter, die Lincoln hasste, auf den Zufall, der den Farmersohn zum Studenten der Ökonomie machte, auf seinen Wandel zum Liberalen in Chicago, auf die prägende Jahre im respektlosen Italien. Dabei hat der Theoretiker der öffentlichen Wahlhandlungen sein Lebensthema fest im Blick: wie wir Individualisten lernen, friedlich miteinander auszukommen.

Professor Buchanan, wie sind Sie zur Ökonomie gekommen?

Es gab überhaupt keinen Anstoß. Als ich mit der Schule fertig war, war die Weltwirtschaftskrise im Gange, und ich konnte es mir finanziell nicht leisten, mich am Vanderbilt College in Nashville, Tennessee, einzuschreiben und Jura zu studieren, wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Das Einzige, was mir blieb, war der Besuch des Lehrerkollegs zu Hause in Murfreesboro. Als Hauptfächer hatte ich Mathematik, Literatur und Gesellschaftswissenschaften. Nach vier Jahren dort boten sich mir drei Möglichkeiten: Ich konnte als Lehrer arbeiten, in einer Bank, oder ich konnte mit einem Stipendium an der University of Tennessee Wirtschaftswissenschaften studieren. Mir war das Fach egal, ich hätte das Stipendium so oder so genommen. Das war mein Weg zur Ökonomie. Reiner Zufall.

Aber eine gewisse Offenheit mussten Sie schon mitbringen, sonst hätten Sie am Ende wohl als Lehrer gearbeitet. War die Weltwirtschaftskrise vielleicht ein Thema bei Ihnen zu Hause?

Ich glaube nicht. Unsere Verhältnisse waren nicht so. Obwohl meine Mutter eine brillante Frau war, eine leidenschaftliche Leserin, die alles verschlang, von Schund bis hin zu echter Literatur. Sie interessierte sich für absolut alles. Sie kam aus einer Familie der oberen Mittelschicht, die Männer waren Hilfssheriffs und Prediger. Mein Dad las gerade einmal die Zeitung. In Diskussionen machte er keine besonders gute Figur. Er hatte nur zwei Jahre an der University of Oklahoma studiert - und Fußball gespielt.

Ihre Familie lebte auf einem Bauernhof?

Ja, wir bewirtschafteten eine Farm. Allerdings gehörte sie uns nicht, sie gehörte der ganzen Sippschaft. So hatte mein Vater wenig Anreiz, die Farm gut in Schuss zu halten. Wir verkauften Milch; damit verdienten wir am meisten. Außerdem hatten wir ein bisschen Baumwolle und Mais, das Übliche. Aber mein Dad war kein geborener Farmer.

War das ein Leben in Armut?

In großer Armut. Meine Mutter war dabei enorm fleißig; sie war ständig am Arbeiten. Ich habe das von ihr. Doch mein Vater liebte das Faulenzen.

Ein widersprüchliches Gespann!

O ja! Vor ihrer Heirat hatte meine Mutter neun Jahre als Lehrerin gearbeitet. Sie war eine starke intellektuelle Kraft. Mein Vater blickte stets zu ihr auf. Er verdiente das Geld, aber ihm war klar, dass sie schlauer war als er, und so ließ er sie stets gern entscheiden. Er litt nicht unter dieser Rollenverteilung, er war sehr gutaussehend und sehr selbstbewusst.

War es damals ein klares Ziel, dass Sie als Sohn eine höhere Ausbildung bekommen sollten?

Das war nicht nur ein Ziel, es wurde vorausgesetzt.

Sie sollten also nicht selbst auch Bauer werden?

O nein, niemals! Ich sollte mit meiner Ausbildung so weit gehen wie nur irgend möglich. Meine Mutter hatte all ihren Ehrgeiz auf mich gerichtet. Sie gestattete nicht, dass ich wegen der Feldarbeit auch nur einen Schultag verpasste. Und ich ging gern zur Schule.

Hatten Sie einen Jugendtraum, was Sie einmal werden wollten?

Kaum. Damals war man ja schon froh, wenn man irgendwie überlebte und einen Job bekam. Ich erinnere mich nur, dass ich dachte, ein Dasein als College-Professor wäre nicht schlecht. Mein Politikprofessor, dem ich das Stipendium für die University of Tennessee verdanke, verdiente 3600 Dollar im Jahr. Damals war das eine phantastische Summe. Und so dachte ich, es wäre wundervoll, eines Tages eine solche Stellung zu haben.

Als Sie später im College mit Wirtschaft in Berührung kamen, was haben Sie da gelernt?

Nichts. Absolut nichts. Unser Professor war ein pensionierter Prediger, er hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Aber auch an der University of Tennessee, wo ich dann studierte, erfuhr ich nichts von Wirtschaft. Ich habe erst Ökonomie gelernt, als ich in Chicago war.

Aber irgendwie müssen Sie doch auf den Geschmack gekommen sein!

Nicht wirklich. In meinem zweiten Universitätsjahr hatte ich ein Stipendium an der Columbia University, für das Fach Statistik. Ich hätte auch das bestimmt genossen. Jede intellektuelle Erfahrung ist bereichernd. Aber dann wurde ich zum Kriegsdienst eingezogen. Normal hätte ich zur Armee gemusst, doch ich wollte zum Offizierstraining der Marine. Eigentlich war mein Blutdruck zu hoch dafür. Aber mein Onkel, der Arzt war, gab mir eine Tablette, mit der ich in der Gesundheitsprüfung schummeln konnte, und so klappte es.

War der Kriegsdienst ein großes Opfer für Sie? Immerhin unterbrach er Ihre Ausbildung.

Nein, denn es waren prägende und sehr, sehr gute Jahre für mich von 1941 bis 1945. Zuerst wurden wir drei Monate in einer Offiziersschule in New York unterrichtet. Schon im ersten Monat erlebte ich dort freilich echte Diskriminierung, und das regte mich furchtbar auf. Wenn es etwas gibt, was ich nicht ausstehen kann, dann ist es Ungerechtigkeit. Egal, ob es dabei um mich selbst geht oder um jemanden anders.

Worum ging es?

Zwanzig Jungs in unserer Gruppe waren Absolventen von Yale, Harvard und Princeton, diesen Colleges des Ostküsten-Establishments, und am Ende der Grundausbildung wurden zwölf oder dreizehn von ihnen befördert. Das stand in keiner Relation zur Grundgesamtheit von sechshundert, die wir in der Gruppe waren. Es war eine offene Diskriminierung aller, die nicht von den Ostküsten-Colleges kamen. Mich machte das zum flammenden Kommunisten.

Sie?

O ja!
Wenn jemand gerade Mitglieder geworben hätte, hätte ich mich sofort angemeldet. Ich neigte politisch ohnehin stark nach links. Aber durch diese Diskriminierung war das noch einmal intensiver geworden. Ich glaube, ich empfand das stärker als manch anderer. Selbst heute kann ich den Zorn noch in mir fühlen. Ich werde das wohl niemals los.

Wieso neigten Sie schon vorher nach links?

Das hatte etwas mit meinem Hintergrund zu tun, der von der "Populist Party" geprägt war. Ich war aufgewachsen mit all diesen Pamphleten über die bösen "Wall Street Barons" und "Rubber Barons". Außerdem war der Süden Amerikas damals voll in der Hand der Demokraten. Auch als ich begann, mich für Wirtschaft zu interessieren, änderte sich das nicht. Alle in meinem Umfeld waren Sozialisten. Wir erkannten nicht, was wirklich los war. Russland war unser Ideal. Ich fing sogar an, Russisch zu lernen.

Nach dem Krieg gingen Sie nach Chicago. Wieso? War Columbia jetzt nicht mehr reizvoll?

Stimmt, ich hatte dieses Stipendium, aber ich mochte New York nicht. New York ohne Geld ist heute kein schöner Ort und war es damals ebenso wenig. Und mein College-Professor hatte in Chicago studiert. Er hatte mir vermittelt, wie spannend es dort war. Er hatte recht. Kein Zweifel, in Chicago herrscht die aufregendste intellektuelle Atmosphäre der Welt, auch heute noch. Ich wusste damals gar nichts über die ökonomische Fakultät. Hätte ich geahnt, dass sie liberal geprägt war, hätte ich mich für eine andere Universität entschieden.

Wer war da und hat Sie inspiriert?

Frank Knight war da. Er wurde mein Vorbild. Und als ich schon mit allen Fächern durch war, kam auch noch Milton Friedman. Man riet mir, bei ihm noch einmal Preistheorie zu belegen. Es hat sich gelohnt, er war ungeheuer gründlich.

Ich nehme an, das war dann das Ende Ihrer sozialistischen Neigungen.

Ich war in null Komma nichts umgedreht. Aus irgendeinem Grund war ich wohl auch dafür konditioniert, die Funktionsweise des freien Markts zu begreifen und anzunehmen.

Hat die Tatsache, dass Sie Südstaatler sind und gleichsam ererbtermaßen größten Wert auf Unabhängigkeit legen, etwas damit zu tun?

Ohne Zweifel. Das geht alles auf meine Mutter zurück. Sie war in dieser Südstaatenkultur groß geworden. Sie hasste Abraham Lincoln mit Leidenschaft. Der war zwar schon seit drei Generationen tot, aber diese tiefe Abneigung war trotzdem fester Bestandteil ihres Denkens. Dabei ging es gar nicht um die Abschaffung der Sklaverei. Es ging darum, dass Lincoln, die Personifizierung der Yankees, die Südstaaten in den Krieg gezwungen hatte. Das verband sich bei mir dann noch mit dem Einfluss der "Populist Party", die den Geldadel der Wall Street und das Ostküsten-Establishment aufs Korn nahm. Ich habe im Leben meine Einstellungen zu alldem von Grund auf überdenken müssen. Lincoln habe ich immer mehr und mehr schätzen gelernt.

Zurück nach Chicago. Wieso wählten Sie die Finanzwissenschaft als Spezialgebiet?

Das war wieder Zufall. Ich bekam eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft. Ich schrieb dann meine Dissertation über Fiskalföderalismus, also darüber, wie Staaten, die über eigene Steuerhoheit verfügen, mit einer übergeordneten Bundesregierung interagieren.

Wie war das politische Klima in der Universität? Welche Wirkung hatte der Keynesianismus?

Der Keynesianismus war gar nicht richtig angekommen. Die meisten Professoren glaubten, es lohne sich gar nicht, sich damit zu beschäftigen.

Wie sind Sie der Mathematisierungswelle entgangen?

In Chicago habe ich mich nicht weiter mit Mathematik beschäftigt. Man sagte mir, was ich schon gelernt hätte, reiche aus. Das stimmte nicht ganz, und insofern ist das ein bisschen dumm gelaufen für mich. Ich habe nie eine negative Einstellung zur Mathematik gehabt. Ich hatte allerdings auch nie das Gefühl, sie häufig benutzen zu müssen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich theoretisch mit dem Staat zu befassen?

Damit beschäftigte sich damals niemand. Dabei war die Kluft zwischen der Art und Weise, wie die Wirtschaft modelliert wurde, und den Vorstellungen, die man über den Staat hegte, so groß, dass man mit einem Lastwagen hätte hindurchfahren können. Irgendwie mussten wir versuchen, auch kollektives Handeln unter Berücksichtigung aller relevanten Anreizstrukturen zu beschreiben und zu erklären. Es ging damit los, dass ich 1948 einen Band von Knut Wicksells "Finanztheoretischen Untersuchungen" in der alten Harper Library in Chicago fand.

Wicksell hatte sich mit dem Einstimmigkeitsprinzip in kollektiven Entscheidungen befasst. Nur Einstimmigkeit gibt Politik direkte, vollumfängliche Legitimität. Aber wieso haben Sie da gleich angebissen?

Ich glaube, das hatte wieder mit meinem Südstaatenhintergrund zu tun. Ich suchte einen Erklärungsansatz, mit dem sich ein Gewaltmonopol logisch als legitim begründen lässt. In weltanschaulicher Hinsicht bin ich so etwas wie ein Anarchist und ein hochgradiger Individualist obendrein. Wenn man mit dieser Grundeinstellung ausgestattet ist, braucht man eine explizite Erklärung, wieso es im Staat möglich und sogar legitim sein soll, andere Menschen zu etwas zu zwingen. Mit dem Ansatz, den ich entwickelt habe, ist es möglich, sich eine kollektive Ordnung vorzustellen, der alle Leute zustimmen. Dann handelt es sich bei staatlichem Zwang nicht mehr um Zwang, sondern um einen Gesellschaftsvertrag.

Zumindest hypothetisch. Aber das reicht doch nicht.

Hypothetische Zustimmung ist als Kriterium besser, als wenn man nur postuliert "Ich will das so" oder "Gott will es so". Sie gibt uns wenigstens einen Kompass, der anzeigt, wo wir uns normativ verorten sollten. Dies ist analog zur Fiktion des "unparteiischen Beobachters" bei Adam Smith und des "Schleiers des Nichtwissens" bei John Rawls. Echte Zustimmung wäre natürlich besser, aber das ist ein sehr aufwendiger Maßstab.

Sie hatten Ihren ersten Lehrstuhl daheim in Tennessee, und dann gingen Sie nach Florida. Wieso Florida?

Ich weiß nicht. Aber es war eine der besten Entscheidungen, die ich je gefällt habe. Ich hatte dort zwei Kollegen, die begriffen hatten, dass es in der akademischen Welt entscheidend ist, zu publizieren. Wir schrieben ein Lehrbuch zusammen. Und ich durchlief eine Art Metamorphose. Plötzlich fand ich Gefallen am Schreiben. Außerdem war auch die wissenschaftliche Debatte damals ausnehmend spannend. Kenneth Arrow hatte 1951 seine Dissertation herausgebracht.

Darin ging es um die logische Unmöglichkeit, im demokratischen Prozess die Wünsche der Bürger widerspruchsfrei zu "aggregieren".

Ja. Mir gefiel Arrows Tenor nicht. Dass eine logisch widerspruchsfreie Aggregation der Präferenzen aller Bürger nicht möglich ist, ist ja klar - und auch gut so.

Weil es sonst im politischen Prozess keine Möglichkeit gäbe, Meinungen zu revidieren und neue Ansätze auszuprobieren. Weil wir sonst eine politische Planwirtschaft haben könnten.

Genau. Ich störte mich daran, dass Arrows Arbeit auf eine Rechtfertigung dafür hinausläuft, dass eine Mehrheit einer Minderheit ihren Willen aufdrängen kann. Hier zeigte sich wieder meine Südstaaten-Prägung . . . Mein Denken ist vollkommen davon durchdrungen, dass es stets darum gehen muss, Minderheiten vor der Tyrannei der Mehrheit zu schützen. Ich wollte den Zwang minimieren, den Menschen über Menschen ausüben. Ich habe immer sehr empfindlich darauf reagiert, wenn Minderheiten unterdrückt werden oder Unterdrückung gerechtfertigt werden soll. Ich schrieb damals zwei Aufsätze darüber, die außer Amartya Sen niemand verstand. Wie auch immer, für mich war das damals eine entscheidende Wende.

Wie empfänglich waren Ihre Kollegen in der Wissenschaft für Ihren Gegenansatz?

Gar nicht. Aber wenn ich selbst mir heute ansehe, was ich damals geschrieben habe, dann finde ich wirklich, dass es das Beste ist, was ich je gemacht habe. Zudem waren die fünfziger Jahre für mich wichtig, weil sie mein Wertesystem zurechtgerückt haben.

Wie das?

Nach einem Jahr in Italien 1955 war ich endlich emotional bereit, einige der sakrosankten Annahmen über die amerikanische Demokratie auf den Prüfstand zu stellen. In vielen Leuten, und auf jeden Fall auch in mir, war das Gefühl tief verwurzelt, dass man den Staat und das kollektive Handeln nicht kritisch in Frage stellen darf. Ganz im Gegenteil, man ist allgemein erst einmal von einer gewissen Bewunderung und Ehrfurcht gegenüber der Obrigkeit geprägt; der Staat "muss" einfach wohlwollend sein. Die Italiener haben mir das ausgetrieben. Sie respektierten gar nichts, den Staat nicht, die Politiker nicht, die Politik nicht.

Welche Inspiration zogen Sie daraus, als Sie wieder zurück in Amerika waren?

An der University of Virginia traf ich Rutledge Vining. Er war ebenfalls ein Schüler von Frank Knight. Knight hatte besonderen Wert auf Regeln gelegt. Vining griff das auf und postulierte, ein Kollektiv dürfe sich nur auf Regeln einigen, nicht auf partikuläre Eingriffe. Hier knüpfte ich an und begann, über Regelsysteme nachzudenken, über Verfassungen und so weiter.

In Deutschland nennt man das Ordnungstheorie. Mir scheint, Sie haben viel von anderen Leuten gelernt. Intellektueller Austausch ist in der Wissenschaft sehr wichtig, nicht wahr?

O ja! Gordon Tullock war noch so ein Sparringspartner. Ende der fünfziger Jahre schrieben wir gemeinsam das Buch "Calculus of Consent".

Das war die eigentliche Geburtsstunde der Theorie der öffentlichen Wahlhandlungen (Public Choice). Wie waren die Reaktionen?

Das Buch bekam erstaunlich gute Besprechungen. Die Politologen schienen ein bisschen verängstigt. Dabei haben wir gar nichts Revolutionäres gemacht. Wir haben einfach nur die Gedankenwelt von James Madison in moderne Sprache übersetzt. Es war bloß eine Verteidigung der amerikanischen Verfassung, die allem staatlichen Handeln Grenzen setzt und die individuelle Freiheit schützt. Insofern war es allerdings auch ein Angriff auf die unbeschränkte Mehrheitsregel.

Durch alles, was Sie geschrieben haben, zieht sich Ihr prononcierter Individualismus. Wie begründen Sie ihn philosophisch?

Ich vertrete das, was Philosophen heute "ontologischen Individualismus" nennen. Ich weiß nicht, wie man etwas anderes sein könnte als ein ontologischer Individualist. Es geht hier gar nicht um Normen. Es geht nur um einen logischen Ausgangspunkt für unser Denken. Es ist einfach eine Tatsache. Wir alle sind Individuen. Das gilt selbst in kollektiv geprägten Gesellschaften. Selbst wenn man sämtlichen Nutzen nicht aus dem eigenen, sondern dem Wohlbefinden der Gruppe zieht, geht es immer noch um die individuellen Empfindungen.

Sind Sie nicht auch von Friedrich August von Hayek beeinflusst?

Ja, dieser Einfluss begann in den sechziger Jahren. Hayeks Idee der "spontanen Ordnung", die sich im freiwilligen Austausch in Marktprozessen ergibt, fügte sich in mein Denken nahtlos ein. Mein Thema war, dass wir uns mehr mit Austauschprozessen befassen sollten, nicht mit Wahlhandlungen. Natürlich wählt man, wenn man tauscht, aber von zentraler Bedeutung ist bei alledem die Institution, die Austauschprozesse ermöglicht.

Was hat Sie optimistisch gemacht, dass bessere Verfassungsregeln unser gesellschaftliches Miteinander verbessern könnten? Ihr Argument ist doch, dass man die "spontane Ordnung" zulassen und sich folglich als Kollektiv nur auf Regeln, nicht auf Endergebnisse verständigen darf. Aber in gewisser Weise sind Regeln doch auch Ergebnisse, oder?

Ja. Es ist ein infiniter Regress.

Und wie kommt man da wieder heraus?

Gar nicht. Man kann sich auf der prozesspolitischen Ebene umtun und die Regeln, die herrschen, zu "relativ absoluten Absolutheiten" erklären. Das ist natürlich eine Ausflucht, aber es hilft. Auf dieser Grundlage kann man nämlich Politikoptionen vergleichen und sie im Licht bestimmter Werte beurteilen. Auf der Regelebene, der ordnungspolitischen Ebene, kann man verschiedene Ordnungen und ihre jeweiligen Ergebnisse vergleichen. Und dann kann man sich auch noch normativ mit den Prinzipien befassen, nach denen Regeln entwickelt werden, wie das John Rawls gemacht hat. Auf dieser Ebene finde ich, dass es ausreicht, sich auf abstrakte Verfahrensregeln zu einigen, einfach weil sie als allgemein und gerecht anerkannt werden. Rawls indes will festlegen, was das Ergebnis dieser Verfahrensregeln ist.

Wie würden Sie den Prozess beschreiben, der Sie in Ihrer Forschung von einem Projekt zum nächsten geführt hat?

Es ging immer darum, logische Lücken in einer Theorie zu füllen. Man schreitet voran, indem man versucht aufzuklären, was zunächst wie ein Widerspruch erscheint. Im Rückblick scheint so ein Weg natürlich viel kohärenter, als man es sich unterwegs jemals hätte träumen lassen. Man treibt mehr, als dass man steuert. Und während man so dahintreibt, entdeckt man immer mehr Dinge, die einen interessieren. Ich genieße es, Ideen auszuarbeiten und aufzuschreiben. Das Vergnügen, das ich beim Verfassen von Aufsätzen empfinde, ist sehr wichtig für mich, jenseits der logischen Kohärenz. Viele meiner Kollegen können eigentlich nicht schreiben. Es macht kaum noch Spaß, ökonomische Arbeiten zu lesen.

Jenseits des Mainstreams, gerade in den "heterodoxen" Gebieten, wie Sie sie vertreten, hat die Ökonomie erhebliche Fortschritte gemacht. Sind noch Fragen offen?

Aber ja! Wir Menschen haben ja immer noch nicht gelernt, in der Gesellschaft friedlich zusammenzuleben. Wir können uns also ruhig darauf verlassen, dass es wieder etwas Neues zu erklären geben wird. Ich weiß sowieso nicht, was "Fortschritt" wirklich bedeutet. Alle wissenschaftliche Erkenntnis ist immer nur vorläufig. Physiker mögen glauben, dass sie irgendwann einmal alles werden erklären können. Ich halte derlei für ausgemachten Unsinn. Wenn man die Evolution anerkennt, dann weiß man auch, dass man von seinem Hund nicht erwarten kann, dass er aufsteht und anfängt, deutsch zu sprechen. Denn der Hund ist genetisch nicht dafür programmiert. Wir sind menschliche Tiere, und auch wir sind begrenzt in unseren genetisch angelegten Fähigkeiten. Per Definition gibt es Bereiche der Erkenntnis, in die wir nie werden vordringen können. Wenn man weiß, dass es diese Grenzen gibt, kann man zwar versuchen, sie immer weiter hinauszuschieben - aber mehr auch nicht.

Das Gespräch führte Karen Ilse Horn, Leiterin des Hauptstadtbüros des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Das vollständige Interview wird demnächst in ihrem Buch "Roads to Wisdom, Conversations with Ten Nobel Laureates in Economics" im Verlag Edward Elgar erscheinen.

Kastentext:

Viele meiner Kollegen können eigentlich nicht schreiben. Es macht kaum noch Spaß, ökonomische Arbeiten zu lesen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.08.2009, Nr. 185, S. 30

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Mittwoch, 12. August 2009

Regen - Ist der Sommer fast vorbei?


Hier noch eine Erinnerung

Regen

Die Sonne hat nur kurz das nasse Tal umschlungen,
Die Pappeln rauschen wieder, neckisch spielt der Wind.
Des Baches Schwermut hat gar lang allein geklungen,
Der Wind ist pfiffiger als ein vergnügtes Kind.

Die Wolken wollen kommen. Alles wurde rauher,
Die blassen Pappeln rascheln wie bei einem Guß.
Die nassen Weiden faßt ein kalter Schauer,
Gewaltig saust die Luft, beinahe wie ein Fluß.

Nun soll der Regen kommen! Und es gieße wieder!
Der Sturm ist kraftbegabtes Lautgebraus,
Der Regen bringt die Rhythmen heller Silberlieder,
Die Pappeln wissen das und schlottern schon voraus.

Dem nassen Tal entwallen kalte Atlashüllen,
Und auch die Nebelhauche tauchen raschelnd auf.
Der Wind beginnt die Flur mit Wispern zu erfüllen,
Die Pappeln biegen sich, das Grau nimmt seinen Lauf.

Theodor Däubler (1876 - 1934)