Dienstag, 30. September 2008

Zehn Börsenregeln für Anleger Teil 2

von Arnd Hildebrandt nach David Rosenberg stammend von Robert Farrell

Fortsetzung:

  • 3. „Die breite Masse kauft auf Kursgipfeln am stärksten und in der Talsohle am wenigsten.“
Diese Regel Robert Farrells sagt nach Rosenbergs Interpretation ganz einfach, dass der Mensch gewöhnlich linear denkt. Die breite Masse habe an den Finanzmärkten stets Schwierigkeiten, Dinge zu verkaufen, deren Preis steigt, und Dinge selbst dann zu kaufen, wenn ihr Preis fällt und sie damit an Wert gewinnen.
Finanzprodukte sind nicht wie Spargel, erklärt Rosenberg lapidar. Wenn der Spargelpreis steige, kauften die Leute entweder weniger, oder sie entschieden sich für Spinat. In der Welt der Kapitalanlage verhalte es sich anders. Hier kauften die Leute, weil sie hofften, dass die Kurse weiter steigen. Und sie verkauften, weil sie fürchteten, das die Kurse weiter fallen.

  • 4 „Marktbewegungen mit rapide steigenden oder fallenden Kursen ziehen sich weiter hin, als man meist denkt. Sie korrigieren nie in einer Seitwärtsbewegung.“
Auch diese Regel ist eine nähere Ausgestaltung von Farrells Feststellung, dass das Pendel der Uhr beständig von einem Extrem zum anderen schwingt. Rosenberg bezieht sich in seiner Erläuterung auf die in den vergangenen fünf Jahren entstandene Blase im Bereich der Vermögenswerte. Diese Blase habe sich viel weiter ausgedehnt, als es sich irgendjemand zunächst hätte vorstellen können, stellt der Stratege fest. Ihre Ursache sei eine extrem laxe Kreditvergabe der Finanzinstitute gewesen. Blicke man auf den Ölpreis, so erkenne man, dass er von 2003 an zunächst von 20 Dollar auf 70 Dollar je Barrel gestiegen sei. Als die anfängliche Manie schließlich eine Blase habe entstehen lassen, sei er im Sommer 2008 auf bis zu 146 Dollar gestiegen.

Dazu meint Farrell: Kommt es zu exponentiell steigenden oder fallenden Preisen, wollte man nicht annehmen, dass es dann mit einer Korrektur in Form einer stabilen Seitwärtsbewegung getan ist. Exponentielle Preissteigerungen haben ihre Ursache letztlich darin, dass sich viele Käufer der Hebelwirkung von Krediten („leverage“) bedienen. Dies mache es den Märkten unmöglich, außerordentlich stark wachsendes Kaufpotential zu verkraften und sich dazu noch geordnet zu entwickeln. Gleiches gelte, nur mit umgekehrten Vorzeichen, wenn die Preise fallen.

  • 5 „Exzessen in einer Richtung folgen Exzesse in der Gegenrichtung.“
Diese Regel folgt aus Farrells „Regel Nummer eins“. Die bildliche Brücke schlägt die Aussage des Technikers, das Pendel (einer Uhr) schwinge von einem Extrem zum anderen. David Rosenberg wählt den Preis für Rohöl der Sorte „West Texas Intermediate“ (WTI) und erinnert daran, dass dieser 1979 auf den damaligen Rekord von 30 Dollar je Barrel (159 Liter) stieg. 1988 habe er bei 12 Dollar und im Jahre 2002 bei 20 Dollar je Barrel gelegen. Über weite Strecken der achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinweg habe er sich deutlich unter seinem Mittelwert bewegt, wenn man das Jahr 1979 als Richtgröße nehme.

Diese Aussage gelte besonders bei realer, also inflationsbereinigter Betrachtung. Rosenberg führt dies als einen Fall an, in dem der Preis einmal seinen Mittelwert unterschreitet. Die Wahl des Jahres 1979 und der folgenden mag auf den ersten Blick zwar willkürlich erscheinen, ist aber unter anderem am Beispiel des Ölmarktes auch mit veränderten Zeitsequenzen überzeugend darstellbar.

Wegen der exzessiv niedrigen Preise in den achtziger und in den neunziger Jahren und des davon herrührenden geringen Wachstums der Ölforderung war nach Darstellung von Rosenberg schließlich ein Ausbruch des Preises nach oben hin unausweichlich vorgezeichnet. Ab dem Jahr 2003 hätten die Notierungen beträchtlich über dem langjährigen Mittelwert gelegen. Daran habe sich zwar bis heute grundsätzlich nichts geändert, doch schienen jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen zu sein, dass ein Exzess in die Gegenrichtung in Gang gekommen sein könnte.

Ein weiteres Beispiel bietet nach Ansicht von Rosenberg der amerikanische Immobilienmarkt. Von 2002 bis 2006 seien die Preise dort mit einer durchschnittlichen Jahresrate von 20 Prozent gestiegen. Dieser Markt befinde sich inzwischen ebenfalls auf der Rückkehr zu Mittelwerten. Auch hier gilt nach David Rosenberg: Einer Phase krass anziehender Preise folgt eine Phase krass fallender Preise. Robert Farrell würde sagen: Das Pendel schwingt.“

Text: FAZ, 27. September 2008, Seite 20
Fortsetzung folgt