Fortsetzung:
- „6 „Angst und Gier sind stärker als die Entschlossenheit zum langfristigen Handeln.“
Zum Ende des vergangenen Jahrzehnts hin hätten die Anleger gelernt, sich in Qualitätsaktien zu engagieren, um ihr Eigenkapital zu erhalten, erinnert Rosenberg. Entschlossen hätten sie daher zunächst das Spekulieren zwar gemieden, aber letztlich nicht die Kraft aufgebracht, dem scheinbar endlos steigenden Kursen der Technologiewerte zu widerstehen.
Dies war ein Fall, in dem Gier stärker gewesen ist als die strategische Entschlossenheit zum Kapitalerhalt. Nach dem Kurseinbruch 2000 hätten viele Anleger ihre Bestände bis zum Jahr 2002 stark reduziert. Doch dann hätten sie zusehen müssen, wie sich der Standard &-Poor’s-500-Aktienindex in den folgenden fünf Jahren mehr als verdoppelte.
Bevor man in der aktuellen Marktlage für Aktien wieder optimistisch werden könne, müsse die Entschlossenheit der Masse zum Erhalt des Eigenkapitals der Furcht vor weitern Kursverlusten weichen. Die frühen Phasen einer neuen Hausse stehen üblicherweise im Zeichen der Angst der Anleger vor weitern Verlusten.
- 7 „Breite, umsatzstarke Märkte sind am festesten. Am schwächsten sind sie, wenn sie nur von einer Handvoll Qualitätsaktien getragen werden.“
Diese Regel habe sich während der jüngsten Entwicklung an den Rohstoffen wieder einmal bestätigt, als der Ölmarkt zum Schluss der Einzige gewesen sei, der immer neue Rekordhöhen erreichte, erläutert Rosenberg. In der Spätphase der spekulativen Blase im Jahre 2000 sei das Geschehen zuletzt fast ausschließlich von wenigen Aktien wie Intel, Microsoft, Sun und Cisco bestimmt worden. Dies sei ein deutlicher Hinweis auf Schwäche des Marktes gewesen.
Umgekehrt gilt das auch für starke Marktphasen: Als das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in den späten siebziger Jahren mit 7 eine konjunkturbedingte Talsohle erreichte, seien Wachstumswerte wie Merck und Pfizer mit einem KGV von 12 bis 14 gehandelt worden. Konjunkturempfindliche Aktien wie Ford und General Electric hätten hingegen mit 3 bis 5 notiert. Rosenberg kommentiert: Der gesamte Aktienmarkt sei damals billig gewesen, doch viele Anleger wollten nicht kaufen. Im August 1982 begann dann eine langjährige Hausse. Auf deren Gipfelt 2007 sei es wiederum nur eine geringe Zahl von Aktiengruppen und einzelner Aktien gewesen, die den Markt anführten.
- 8, „Eine Baisse verläuft in drei Stufen: ein erster scharfer Einbruch, eine Reflexerholung und dann eine ausgedehnte Abwärtsbewegung.“
Diese Regel sei mit Blick auf die im Jahr 2000 beobachteten Ereignisse an der Wall Street aufschlussreich, erklärt Rosenberg. Von 2000 bis 2002 sei das Kursniveau stark zurückgegangen (A-Welle), gefolgt von einer Reflexerholung (B-Welle). Obwohl dieser Aufschwung die Indizes nicht auf neue Rekordhöhen getragen habe, erinnert er doch sehr an die noch kräftigere Erholung der Jahre 1932 bis 1936. Bei der Betrachtung der jüngsten Vergangenheit könne man einerseits sagen, dass ein scharfer Einbruch stattfand (2000 bis 2002), dem einen reflexartige Erholung folgte (2002 bis 2007), fährt der Stratege fort. Nun werde wohl eine langgezogene Abwärtsbewegung auf neue Tiefpunkte bevorstehen (C-Welle). Eine andere Deutung sei aber wahrscheinlicher: Mi den Aufschwüngen des Standard & Poor’s 500 in den Jahren 2000 und 2007 bildete er eine langjährige Gipfelformation. Gegenwärtig könnte, rein technisch gesprochen, eher eine A-Welle ablaufen, als dass der Beginn einer C-Welle zu vermuten wäre.
Doch wie auch immer: Man müsse sich stets vor Augen halten, dass langfristige Trends nie gradlinig verlaufen, schreibt Rosenberg. Daher habe man sich immer wieder der Mühe zu unterziehen, den Charakter von Bewegungen zu ergründen: Sind sinkende Kurse nur Korrekturen im Rahmen langfristiger Aufwärtstrends? Sind Aufschwünge lediglich Zwischenerholungen im Rahmen einer langfristigen Baisse?“
Text: FAZ, 27. September 2008, Seite 20
Fortsetzung folgt
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