Riedenburg und Pfingstrosen in Hunsrück
Aus dem Gedicht „Pfingsten“
von Otto Julius Bierbaum
Der kühle Morgen ist erwacht,
Die Sonne kämpft die Nebelschlacht,
Und siegend als ein freudger Held
Tritt sie ins alte Himmelszelt.
Vor Liebchens Fenster steh ich schon,
Sie ist wohlauf und kennt den Ton,
Ich singe, was ihr klinget süß -
Da hast du tausend Morgengrüß!
Wir wollen über die Berge gehn,
Wir wollen zusammen den Frühling sehn!
Horch, wie es froh vom Hügel schallt,
Es weht so frisch vom dunklen Wald.
Erziehungs-Ratgeber
Eltern, erzieht euch selbst!
Von Friederike Reents
01. Juni 2009 „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, wollte der Psychiater Michael Winterhoff vor einem Jahr wissen (siehe Erziehungsratgeber: Erziehen wir unsere Kinder zu Tyrannen?) und lieferte mit seinem gleichnamigen Bestseller auch gleich die Antwort: Seine Diagnose von der „Abschaffung der Kindheit“ hatte offenbar den Nerv der Zeit und den Nagel auf den Kopf getroffen. Winterhoff suchte und fand die Gründe dort, wo sie entstehen: in den Familien selbst, in dem Beziehungs- und Kommunikationsgeflecht, in dem ein Kind aufwächst.
Winterhoffs zugespitzte These lautet: An der Abschaffung der Kindheit sind vor allem die Erziehungsberechtigten selbst schuld, die Eltern, aber auch Lehrer und Großeltern, die den Kindern ihre Kindheit rauben, weil sie Kinder nicht als das wahrnehmen, was sie sind: als Kinder.
In seinem Nachfolgebuch möchte Winterhoff nun darlegen, „wie Erwachsene erkennen können, ob sie sich in einer Beziehungsstörung befinden“, und „Wege aufzeigen, wie man dem Dilemma entkommen, also die Störung auflösen kann“. Entscheidend für das Sozialverhalten des Erwachsenen ist, dass er als Kind auch psychisch reifen konnte. Im Kindesalter kann die psychische Entwicklung, so Winterhoff, in vielen Fällen noch nachgeholt werden, gewissermaßen nachreifen. Voraussetzung dafür ist aber die Einsicht der Eltern und deren Bereitschaft, mit Geduld und ohne Perfektionsdrang an sich selbst zu arbeiten.
Ein Fallbeispiel
Der Autor schildert den Fall eines dreizehnjährigen Jungen, den er in seiner psychiatrischen Praxis behandelt: Der familiäre Hintergrund scheint ideal, die Eltern sind gut situiert und guten Willens, das Kind zu erziehen. Der Junge aber gibt sich erziehungsresistent, tut und lässt, was er will, seine Liste an Fehlverhalten, wie etwa Demolieren der Wohnung oder Radfahren auf der Autobahn, ist lang, die Eltern sind macht- und ratlos. Die Fragen, die Winterhoff an ihn richtet, perlen ab.
Die Ursache dafür, so der Psychiater, liegt jedoch nicht in aufsässigem Verhalten oder gar schlechtem Charakter, sondern in einer symbiotischen Eltern-Kind-Beziehung. Die „psychisch mit ihm von Anfang an verschmolzenen Eltern haben es ihm nie ermöglicht, sich als abgegrenztes Individuum zu erfahren“. Als Winterhoff dem Jungen schließlich mit Nachdruck seine Missetaten vor Augen führt, fängt dieser an zu weinen, aber keineswegs als Ausdruck von Verstehen oder Schuldbewusstsein, sondern „weil er nicht in der Lage ist, zu erfassen, warum ich ihn so angehe“. Der Junge ist „vollständig in der Vorstellung gefangen, alleine auf der Welt zu sein“.
Heikle Symbiose
In der symbiotischen Eltern-Kind-Beziehung begreifen Eltern ihr Kind wie einen eigenen Körperteil, ihre Psyche ist mit der des Kindes verschmolzen; ohne es zu merken, werden sie von diesem gesteuert. Weist ein Dritter auf Fehlverhalten des Kindes hin, liegt die Begründung stets außerhalb, schuld sind immer die anderen oder aber die Umstände. Spätere Versuche, auf das Kind einzureden, zu drohen oder zu strafen, führen in aller Regel zu nichts. Die mangelnde Abgrenzung seitens der Eltern bringt die psychische Entwicklung des Kindes zum Stillstand, „es verharrt in der frühkindlich-narzisstischen Phase, sein Weltbild ist so geprägt, dass es nicht zwischen Menschen und Gegenständen unterscheiden kann“ - ein alarmierender Befund.
Winterhoff spricht von einem „emotionalen Missbrauch“, der nicht nur bei Symbiose vorliegt, sondern ebenso, wenn Eltern ihr Kind als Partner oder aber als Projektionsfläche begreifen. In der „Partnerschaft“ sieht der Erwachsene das Kind auf gleicher Ebene, Ursache ist meistens ein starkes Harmoniebedürfnis, das Kind soll - obwohl überfordert - gleichberechtigt agieren. Die Folgen sind Endlosdiskussionen, mangelnde Sicherheit im Umgang mit Erwachsenen und fehlende Frustrationstoleranz. In der Projektion indes sucht der Erwachsene unbewusst nach Anerkennung und Liebe durch das Kind, um seine eigenen Unsicherheiten zu kompensieren. Die Angst davor, die Zuneigung des Kindes zu verlieren, bewirkt erneut eine Machtumkehr.
Das Entscheidende, so das Fazit dieses Buchs, das Winterhoff an Hand von vielen Fallbeispielen sehr anschaulich macht, ist nicht, Kindern Grenzen zu setzen, Kinder aufzufordern, Grenzen zu finden. Wichtiger und gleichsam Bedingung dafür, Grenzen zu setzen, ist, selbst abgegrenzt aufzutreten und dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich abgegrenzt zu erfahren und selbstbewusst zu entwickeln. So wird es zumindest wahrscheinlicher, dass das Kind später in der Lage ist, Beziehungen einzugehen, die nicht auf Symbiose oder Projektion basieren, sondern auf Nähe und Vertrauen.
Michael Winterhoff:„Tyrannen müssen nicht sein. Warum Erziehung allein nicht ausreicht“. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2009. 191 S., geb., 17,95 Euro.
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