Von Volker Looman
18. Juli 2009
Es ist eine Binsenweisheit, dass Schuster die schlechtesten Schuhe tragen. Das ist in anderen Berufen nicht besser. Finanzkaufleute etwa stehen im Ruf, nachlässig mit eigenem Geld umzugehen. Ein Beispielfall: Ein junger Mann ist 21 Jahre alt. Er hat vor zwei Jahren sein Abitur gemacht und vor einem Jahr den Ersatzdienst beendet. Weil der Bursche danach keine Anstalten machte, einen Beruf zu ergreifen, steckte ihn der Vater kurzerhand in eine Bank, 700 Kilometer vom Elternhaus entfernt. Der Schritt zeigt erste Erfolge. Der junge Mann muss sich in der Fremde zurechtfinden, und er hat begriffen, dass Kleidung und Verpflegung nicht vom Himmel fallen. Am soliden Umgang mit Geld muss allerdings noch gefeilt werden, wie ein Blick auf die jüngsten Ereignisse zeigt.
Das aktuelle Gehalt des angehenden Bankkaufmannes beträgt 830 Euro im Monat. Davon bleiben genau 566 Euro übrig, weil 264 Euro für Arbeitslosenversicherung, Krankenkasse, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Verkehrsverbund, Versorgungswerk und Kantine abgezogen werden. Die 566 Euro scheinen für das Leben aber nicht zu reichen. Obwohl Vater sämtliche Kosten der Unterkunft bezahlt, steht der Filius beim Arbeitgeber und bei Freunden mit 1500 Euro in der Kreide.
Was bewegt den Gesellen zum Verkauf langfristiger Sparverträge?
Anstatt sich sofort um die Tilgung zu kümmern, denkt der Kaufmann zur Anstellung an den Ruhestand. Er hat vor einigen Tagen einen Vermittler aufgesucht, um für das Alter vorzusorgen. Der Kollege ist sieben Jahre älter, aus dem Blickwinkel des Jüngeren also ein alter Hase, doch was bei dem Gespräch herausgekommen ist, spricht nicht gerade für Qualität in der Finanzberatung. Der Vermittler hat dem jungen Mann zuerst eine Riester-Rente angedreht, um die staatlichen Zulagen abzugreifen. Dann hat er ihm eine Berufsunfähigkeitsversicherung vermittelt. Die zweite Idee ist zwar gut, aber die Umsetzung schlecht. Es handelt sich nämlich um eine Versicherung mit Sparvertrag, bei dem in 46 Jahren und mit dreiprozentiger Verzinsung der Einzahlungen etwa 84.000 Euro zurückfließen sollen.
Die beiden Verträge belasten die Haushaltskasse des jungen Mannes mit 68 Euro im Monat. Das sind rund 12 Prozent des Nettoeinkommens. Gegen die Sparquote von 12 Prozent ist nichts einzuwenden, weil rechtzeitiges Sparen noch nie geschadet hat. Nur drängt sich im vorliegenden Fall die Frage auf, wer der größere Fachmann ist. Was treibt den Lehrling zu Schulden und Altersvorsorge, und was bewegt den Gesellen zum Verkauf langfristiger Sparverträge?
Die Tilgung von Konsumschulden
Der Vermittler ist zu Recht davon überzeugt, dass die Berufsunfähigkeit ein hohes Risiko ist. Er verfolgt aber auch den eigenen Nutzen. Die Police ist mit zwei Investmentfonds verknüpft, weil dafür eine Provision von 1000 Euro winkt. Gegen den Verkäufer spricht, dass er sich für die Lebensumstände seines Kollegen nicht sonderlich interessiert.
Der Lehrling hat zwar Abitur, doch dem jungen Mann ist beim Einstieg in die Berufswelt das Gefühl für die finanzielle Wirklichkeit abhandengekommen. Er hat nicht verstanden, dass die beste Vermögensstrategie der Konsumverzicht und die zweitbeste die Tilgung von Konsumschulden ist. Dafür weiß er aber, was ein „Call“ ist. Außerdem kann er mit beredten Worten die optimale Asset-Allokation erläutern.
Hier bietet sich die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung an
Der richtige Vermögensaufbau beginnt bei jungen Leuten, das muss der Lehrling noch lernen, mit der Absicherung gefährlicher Risiken: Haftpflichtschäden, Krankheit und Berufsunfähigkeit. Das erste Risiko ist durch die Police der Eltern abgedeckt. Da muss der junge Mann nichts machen. Die Versorgung bei Krankheit ist durch den Ausbildungsvertrag und die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse gesichert. Folglich ist nur die Versorgung bei Invalidität zu regeln.
Hier bietet sich die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung an, doch es sollte eine lupenreine Versicherung an. Die Absicherung einer Rente von 500 Euro kostet für einen 20-jährigen Mann ganze 10 Euro pro Monat. Wenn der Vertrag außerdem mit der Option ausgestattet ist, die Rente bei Gehaltssteigerungen ohne erneute Gesundheitsprüfung erhöhen zu können, ist der Versicherungsschutz optimal. Mehr ist nicht notwendig, und weitere Versicherungen sind überflüssig.
Tilgen, tilgen, tilgen
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Kredite in die finanzielle Sackgasse führen können. Schulden von 1500 Euro belasten bei einem Sollzins von 8 Prozent und einer Laufzeit von anderthalb Jahren die Kasse jeden Monat mit 89 Euro, so dass in dieser Zeit die Vermögensbildung auf der Strecke bleibt. Weil die Schulden aber gemacht worden sind, kann der Rat nur lauten: tilgen, tilgen, tilgen.
Geht es um das anschließende Sparen, sind Geduld und der Wille, mit einer monatlichen Sparrate von 50 oder 100 Euro zu beginnen, entscheidend. Die Rate sollte nach Möglichkeit jedes Jahr um 5 bis 10 Prozent erhöht werden. Für solche Ziele kommen in erster Linie flexible und sichere Sparverträge in Frage, weil es in den Sternen steht, wann und wofür das Geld eines Tages benötigt wird. Es ist denkbar, dass in drei Jahren ein Computer benötigt wird oder in fünf Jahren ein Auto.
Der Zinssatz ist unwichtig
Vielleicht wird in zehn Jahren ein gewisser Betrag vorteilhaft sein, um sich selbständig machen oder eine Wohnung kaufen zu können. Vor diesem Hintergrund sind langfristige Sparverträge wie Basisrenten, Kapitalpolicen oder Riesterprodukte mit größter Vorsicht zu genießen. Das liegt nicht an der Qualität der Offerten, sondern an dem Umstand, dass das Kapital in fünf oder zehn Jahren, wenn es für bestimmte Investitionen gebraucht wird, einfach nicht zur Verfügung stehen wird und die Aufnahme von Krediten teuer ist. Da sind Banksparpläne oder Investmentfonds bessere Lösungen.
Entscheidend sind die Sicherheit und die Verfügbarkeit des Geldes. Der Zinssatz ist unwichtig, und das wird mit Hilfe weniger Zahlen deutlich. Wer mit einer Monatsrate von 75 Euro beginnt und den Satz jedes Jahr um 10 Prozent steigert, wird innerhalb von 60 Monaten effektiv 5495 Euro sparen. Ob es dafür Zinsen von 2 oder 3 Prozent gibt, spielt keine Rolle, weil die Differenz lediglich 131 Euro beträgt. Viel wichtiger ist die Perspektive, dass das Geld ohne Einbuße zur Verfügung stehen wird.
Der Autor ist Finanzanalytiker in Reutlingen.Text: F.A.Z.
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