Sonntag, 24. Juni 2012

„Mir geht nichts über Mich“


Das neue Gebäude der RW-Fakultät
(Recht und Wirtschaft), Universität Bayreuth
Stirners Philosophie weist im Kern, unter Abzug aller Polemik, auf Praxis: nach der Aufklärung gelte es, um wirklich den viel beschworenen Ausgang aus der „Unmündigkeit“ zu schaffen, auch das „Jenseits in Uns“ zu beseitigen. Den so entstandenen bzw. beschaffenen Menschen nennt Stirner den „Eigner“ (von „Allem“, incl. seiner selbst), provokant auch den „Egoisten“. Eigner können grundsätzlich auf zweierlei Weise entstehen: entweder durch den sozusagen autotherapeutischen Akt der „Empörung“, verstanden als das „Herausarbeiten Meiner aus dem Bestehenden“, oder durch eine Art von Erziehung, die das Heranwachsen des Kindes zum Eigner möglichst wenig behindert.

Das Stirnersche „Jenseits in Uns“ bezeichnet in etwa das, was S. Freud später Über-Ich nannte, also eine psychische Instanz, die im Laufe des Erziehungsprozesses großteils unbewusst gebildet wird und später als Gewissen, als Komplex der Wert- und Moralvorstellungen, der (kulturellen) Identität etc. das Verhalten des Menschen reguliert. Stirner verwendet zur Bestimmung des Über-Ichs den Begriff des Heiligen.
„Vor dem Heiligen verliert man alles Machtgefühl und allen Mut… Und doch ist kein Ding durch sich heilig, sondern durch Meine Heiligsprechung, durch Meinen Spruch, Mein Urteil, Mein Kniebeugen, kurz durch Mein - Gewissen. … Alles, wovor Ihr einen Respekt oder eine Ehrfurcht hegt, verdient den Namen des Heiligen."
Vor dem Heiligen empfinde man keine Furcht, sondern Ehrfurcht; man ehre es zwar, aber man fürchte es zugleich.
„Allein in der Furcht bleibt immer noch der Versuch, sich vom Gefürchteten zu befreien… Dagegen ist's in der Ehrfurcht ganz anders. Hier wird nicht bloß gefürchtet, sondern auch geehrt: das Gefürchtete ist zu einer innerlichen Macht geworden, der Ich Mich nicht mehr entziehen kann… Ich bin vollständig in seiner Gewalt und versuche die Befreiung nicht einmal mehr… Ich und das Gefürchtete sind Eins.“
„Wie die Welt als Eigentum zu einem Material geworden ist, mit welchem Ich anfange, was Ich will, so muss auch der Geist als Eigentum zu einem Material herabsinken, vor dem Ich keine heilige Scheu mehr trage.“
Der (..)  Ausspruch Stirners „Mir geht nichts über Mich“ besagt genau das: Der Eigner akzeptiert nichts „über sich“, nichts Heiliges; er ist frei von jenem erzieherisch erzeugten Über-Ich, von dem die meisten bisherigen Menschen mehr oder weniger „besessen“ sind.

Quellen:
Alle Zitate aus "Der Einzige und sein Eigentum" von Max Stirner, 
Zwischentexte - Wikipedia 

Siehe auch 
http://wolfdoleys.blogspot.de/2012/06/so-ein-egoist.html

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