Sonntag, 15. November 2009

Entropie


Kaufen wir uns einen schönen, blühenden Blumenstrauß. Wir stellen ihn in eine Vase mit frischem Wasser, und erfreuen uns am Anblick der herrlichen Farben. Dann stülpen wir einen lichtundurchlässigen, schwarzen Kasten über den Strauß. Was sehen wir, wenn wir den Kasten ein paar Tage später wieder hochheben? Einen verwelkten Blumenstrauß. Die Farben sind verblasst, aus dem ehemals klaren Wasser ist eine milchiggrüne Flüssigkeit geworden und die Blumenstängel und Blätter haben eine undefinierbare graugrüne Matschfarbe angenommen. Wo ist der herrliche Strauß geblieben? Er ist zu einer unschönen Biomasse geworden, deren Anblick sogar keine Freude mehr erzeugt. Hätten wir den Strauß mit frischem Wasser versorgt und im Licht stehensgelassen, würde er jetzt noch viel besser aussehen.



Der Zerfall dieses, von der Außenwelt isolierten Blumenstraußes rührt daher, dass in einem abgeschlossenen physikalischen System ohne Energiezufuhr die Unordnung immer zunimmt. Diese bezeichnet die Physik als Entropie. Ihre ständige Zunahme kann nur durch Energieaufnahme verhindert werden. Versiegt die Energiequelle, strebt ein System immer in den Zustand höherer Unordnung. Die Zunahme an Unordnung ist verbunden mit einer Abnahme an Information. Der Blumenstrauß wird zum grauen Biomatsch. Legbewesen werden zu Staub, Gebirge lösen sich in Erdkümmel auf, geordnete Bewegungen werden ungeordnet, alles stirbt, wenn keine Energie zugeführt wird, die die Struktur erhält.



Lebewesen können sich dieser Tendenz zum Zerfall entziehen, solange ihr Organismus in der Lage ist, Energie aufzunehmen und in chemischen Prozessen umzuwandeln. Gelingt die Energieaufnahme nicht mehr, stirbt das Lebewesen und strebt ein Gleichgewicht mit der Umgebung an. Leben ist daher ein Nicht-Gleichgewichtsprozess. Je geringer die Entropie des Lebewesens ist, umso höher ist sein Informationsgehalt.



Wir Menschen besitzen einen sehr hohen Informationsgehalt, deshalb müssen wir sehr viel Energie in sehr ausgewählter Form zu uns nehmen, um zu überleben. Ob wir eine Stake essen oder die gleiche Menge Energie in Form von Sonnerstrahlung aufnehmen, ist ein sehr großer Unterschied. Wir können eben nicht nur von Luft und Liebe leben, das besagt das Gesetz von der Zunahme der Entropie. Kein Kommentar.



Aus dem Hörbuch „Physik für die Westentasche“ von Harald Lesch



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