Montag, 22. November 2010

50 Jahre der "Verfassung der Freiheit"

Bild des Tages 


"Dass utopisches Denken kein Monopol der Sozialisten sein muss, zeigt dieser "Klassiker" des liberalen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek, der 1960 in englischer Fassung erschien. Er entstand in Hayeks Chicagoer Jahren und war als positive Fortsetzung des überwiegend kritischen "Wegs zur Knechtschaft" (1944) gedacht, eines Bestsellers bis auf den heutigen Tag. (...)

Warum ist dies ein Schlüsselwerk der politischen Ökonomie? Hayek lässt uns verstehen, wie eine an Regeln (Gesetzen, Moral, Sitten) gebundene Freiheit spontan eine Ordnung erschafft, die das immer nur individuell vorhandene, nicht-zentrale Wissen nutzt und so den großen Wohlstand herbeiführte, der unser Zeitalter kennzeichnet. In eindrucksvollem historischem Rückblick schildert er, was einzelne Völker - die Griechen, Römer, Engländer, Deutschen und die Amerikaner - mit ihrem Ideal der Isonomie, der "rule of law", dem Rechtsstaat, zu einer "Verfassung der Freiheit" beigetragen haben. Und er beschreibt den Verfall dieses Rechtsideals unter dem Einfluss von Rechtspositivismus und Sozialismus. Wenn auch der radikale Sozialismus nur vorübergehend triumphierte, hat er doch nach Hayek im heutigen Wohlfahrtsstaat mit sanfteren Methoden einen legitimen Nachfolger gefunden - vor allem über die Brücke der sogenannten "sozialen Gerechtigkeit", deren logische Leerformel Hayek gnadenlos benennt. (...)

Die Steuerprogression wird verworfen, Hayek zeigt sich als ein Anhänger der "flat tax", einer Proportionalsteuer. (...)

Auch zu den Konservativen ging er im Nachwort auf Distanz. Zwar kann Hayek nach allem selbst ein "Wertkonservativer" genannt werden, er kritisierte aber einen prinzipienlosen "Strukturkonservatismus", der sich durch eine gewisse Vorliebe für den Staat und mangelndes Vertrauen in freie Entwicklungen charakterisiert. (...)

Wozu wir heute Hayeks Stimme gern hören würden wäre das Thema Europäische Integration: Er wäre, das folgt aus seinen Prinzipien der sozialen Evolution, ein Vertreter eines wettbewerbsmäßig aufgestellten Europas, nicht der EU-"Harmonisierung", -Kartellierung und -Umverteilung. Gewiss wäre Hayek, der 1992 starb, kein Freund der Euro-Einheitswährung - er hat die letzten anderthalb Jahrzehnte seines Lebens vehement für einen freien Währungswettbewerb plädiert. Seit dem Untergang des real existierenden Sozialismus sind neue Formen der Unfreiheit aufgekommen, die etwa die Meinungsäußerungen in das Korsett der "politischen Korrektheit" zwängen wollen. (...)

Aus dem Artikel:
"Was uns heute mangelt, ist eine liberale Utopie"
Vor 50 Jahren kam Friedrich August von Hayeks "Verfassung der Freiheit" heraus
von Gerd Habermann

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.2010, Nr. 272, S. 12






 


 


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