Sonntag, 4. Januar 2009

Die Beschaffenheit seines Glücks kennen lernen


Aus dem WD-Archiv


„Veränderungen erfolgen heute im Galopp“

Alfred Schindler zu Unternehmertum und Globalisierung



Ausschnitte aus dem Interview mit Alfred Schindler (CEO und VR-Präsident von Schindler-Konzern)

Erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung am 3./4. August 2002:

F (Hans Richenberger und Gerhard Schwarz): Was ist der Unterschied zwischen Unternehmern und Managern?

A (Alfred Schindler): Der Unternehmer trägt Risiko. Er wird bestraft, wenn er einen Fehler macht. Wir verlieren nicht nur die Stelle, sondern auch das ganze Hab und Gut. Wir kommen nie auf den Gedanken, das eigene Haus zu schädigen. Als Risikoträger denkt man langfristig. (...)


F: Warum wird man angesichts der Risiken und der Kritik heute überhaupt noch Unternehmer?

A: Es ist eine Berufung. Der Unternehmer arbeitet an einem Werk wie ein Bildhauer an einer Statue, die nie vollendet ist. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass wir nicht nur im Trott, sondern im Galopp die Dinge ändern müssen. Es ist eine Faszination und eine Last. Der Augleich besteht darin, dass man das Gefühl hat, in Freiheit gestalten zu können. Es ist Freude an der Verantwortung - solange dies auch honoriert wird. Wenn man nur noch Kritik einstecken muss und fiskalisch auch noch um die Früchte der Arbeit gebracht wird, ist der Ofen tatsächlich aus. (...)


F: Unternehmer genießen in der Schweiz doch immer noch ein hohes Sozialprestige.

A: Nein, überhaupt nicht. Sie werden angefeindet. Die Schweiz ist antielitär, auf allen Stufen, tragischerweise. Wir wollen eine hohe Ausbildung, aber wir wollen keine Eliten. Das geht nicht. Die Schweiz hat eines der höchsten Einkommen pro Kopf. Das können wir nur durch Spitzenleistung erhalten - von der Primarschule über das Studium bis hin zum Beruf. (...)


F: Sie halten Restrukturierungen für nötig. Brauchen wir dann nicht einen ausgebauten Sozialstaat, vielleicht einen noch größeren als heute?

A: Restrukturierungen sind unvermeidbar, leider. Die Wirtschaftsgeschichte der letzten zweihundert Jahre hat das bewiesen. Die Frage ist, wie man sozialverträglich restrukturiert. Das ist wie beim Autofahren. Sie können einen alten Cadillac fahren, zweieinhalb Tonnen Blech. Das ist passive Sicherheit, Vollkaskodenken. Besser ist das Porsche-Denken: hohe Beschleunigung, starke Bremsen. Wir müssen eine Restrukturierung anpacken, solange wir in der Lage sind, groszügige Lösungen anzubieten; wenn man todkrank restrukturiert, hat man die Mittel dazu nicht mehr. Das Soziale besteht aus meiner Sicht nicht in der Umverteilung; die braucht es für Notfälle. Die wirkliche soziale Arbeit besteht nicht in der Giesskanne, sondern im Aufbau. Durch Umverteilung löst man keine Probleme.


F: Ist die Umverteilung zum Scheitern verurteilt?

A: Natürlich. Die Umverteilung in Europa geht zulasten der Bilanz. Unsere Schulden steigen. Es braucht ein soziales Netz. Aber wesentlicher ist der unternehmerische Wiederaufbau, das Akzeptieren, dass der Zerfall natürlich ist. Man will Wettbewerb, aber keine Verlierer. Das funktioniert doch nicht. Also muss man dafür sorgen, dass wieder aufgebaut wird. Das heißt: Bejahung des Unternehmertums.


F: Der Wettbewerb produziert nicht nur soziale Verlierer, sondern auch unternehmerische Misserfolge. Wie sollte man damit umgehen?

A: In Amerika sagt man: „We will start again.“ Hier wird der Verlierer stigmatisiert. Dies ist Teil der Neid-Kultur. Das ist das Tragische. Man will keine Eliten, man nivelliert lieber alles. Und deshalb wird das Risikotragen nicht honoriert. Wir möchten Arbeitsplätze erhalten, aber man kann sie nur erwirtschaften.


F: Was würde der Unternehmer Alfred Schindler in der Schweiz ändern?

A: Sicher die Einstellung zur Wirtschaft. Sie ist nämlich beinahe feindlich. Man sollte die Ausbildung in Wirtschaftsfragen verbessern. Es gibt null wirtschaftliche Ausbildung in der Primarschule oder in der Sekundarschule, manchmal bis zur Matura. Das ist bedenklich. Wenn man schon das Glück hat, eine der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt zu haben, sollte man eigentlich die Beschaffenheit seines Glücks kennen lernen.


(Und wie steht es um ähnliche Fragen heute in Deutschland?)

1 Kommentar:

Doleys hat gesagt…

Ja, ein gutes Gespräch, selten denken und sprechen Unternehmer so klar wie Schindler. Unternehmer sind von Hause aus Organisatoren, keine Kommunikatoren, das ist ein sehr großer Unterschied.
Und natürlich ist Deutschland eine viel größere Neidgesellschaft als die Schweiz, in den Schulen kommt Wirtschaft überwiegend nur als Feindbild vor, nicht als Feld zur Erzeugung von Einkommen.