Sonntag, 20. September 2009

"Katyń" von Andrzej Wajda

Fluß Moskwa südwestlich von Moskau am 17.09.2009

Die wahre Geschichte einer blutigen Lüge


Eine Rekonstruktion, ein Stück Autobiographie, ein Schlüsselfilm über die polnische Nachkriegszeit - das alles ist Andrzej Wajdas "Das Massaker von Katyn".

Am Ende, als die Züge mit den Gefangenen entladen werden, als die schwarzen Lastwagen und die großen Bagger anrücken und die Henker mit den Armeerevolvern ihr grausiges Handwerk beginnen, ist dieser Film ganz einfach und klar. Man sieht, wie die Männer mit den grünen Uniformen, viele von ihnen im Generals- und Majorsrang, aus den Lastwagen gezogen werden, wie sie mit zitternden Lippen ihr letztes Vaterunser sprechen, während man ihnen Stricke um Hals und Hände bindet, wie der Genickschuss ihre Köpfe zerfetzt und sie mit blutiger Stirn vornüberfallen, bis ihre Körper in frisch ausgehobenen Gruben in langen Reihen neben- und übereinanderliegen. Planierraupen beginnen damit, die Leichen mit Erde zu bedecken. So, sagt der Film, ist es gewesen, so geschah es in Katyn im Frühjahr 1940, und kein Fragen und Zweifeln löscht diese Bilder wieder aus.

Zuvor aber, eineinhalb Stunden lang, hat der Film selbst gefragt, gezweifelt und argumentiert. Er hat Figuren und Dialoge, Wochenschaubilder und Spielszenen zu einem vertrackten Mosaik aus Fiktionen und Dokumenten zusammengesetzt, um der geschichtlichen Wahrheit auf den Grund zu gehen - und so eine ganz andere Geschichte über Katyn erzählt. Nicht die Geschichte des Massakers, sondern die seiner Interpretation, seiner Indienstnahme, seiner Entstellung. Die Geschichte einer Lüge, die auf den Massengräbern wuchs. Und die Geschichte des Staates, der auf dieser Lüge gegründet wurde: die Geschichte des sozialistischen Polen. Der Film zerfällt in zwei Teile, eine lange Erzählung der Lebenden und eine kurze Erzählung der Toten, und es ist gerade diese Uneinheitlichkeit, diese dramaturgische Unwucht, die Andrzej Wajdas "Massaker von Katyn" so faszinierend macht.

Unter den vielen Traumata der polnischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ist Katyn eines der schrecklichsten. Im April und Mai 1940 ermordeten und verscharrten Einheiten des sowjetischen Innenministeriums NKWD in dem westrussischen Ort und in zwei anderen Gefangenenlagern etwa fünfzehntausend polnische Armeeangehörige und Zivilisten: Lehrer, Journalisten, Schriftsteller, Anwälte, Chirurgen, Ingenieure - die Hälfte des Offizierskorps und die Blüte der polnischen Intelligenz. Als die deutsche Wehrmacht die Massengräber im Wald von Katyn Anfang 1943 entdeckte, berief sie eine internationale Expertenkommission ein, an der auch Exilpolen teilnahmen, und schlachtete deren Ergebnisse für ihre antibolschewistische Kriegspropaganda aus.

Nach der Rückeroberung des Gebiets Ende 1943 stellte die Sowjetunion eine eigene Untersuchungskommission zusammen, die das Massaker mit Hilfe gefälschter Beweise den Deutschen in die Schuhe schob. Im kommunistischen Ostblock wurde diese Lüge zur offiziellen Geschichtsdoktrin. In Polen war selbst die Erwähnung des Ortsnamens jahrzehntelang verboten. Erst 1990 gestand Michail Gorbatschow offiziell die sowjetische Täterschaft ein. Zwei Jahre später übergab der russische Präsident Jelzin dem polnischen Staat eine Akte, in der die Schuld Stalins und seines NKWD-Chefs Lawrenti Berija dokumentiert ist.

Unter den Toten von Katyn war auch Leutnant Jakub Wajda, der Vater des Regisseurs. Seine Witwe, eine Lehrerin, klammerte sich viele Jahre lang an die Illusion, ihr Mann würde eines Tages heimkehren. Der Film erzählt, wenn auch mit anderen Namen und familiären Konstellationen, ihre Geschichte. Sie beginnt Ende September 1939, als sich flüchtende Zivilisten auf einer Flussbrücke in Ostpolen zusammendrängen. Die Lage ist aussichtslos: Im Westen steht die Wehrmacht, im Osten die Rote Armee. Aber Anna (Maja Ostaszewska) zieht weiter, um ihren Mann Andrzej (Artur Zmijewski), einen Offizier der polnischen Armee, vor dem Abtransport in ein russisches Gefangenenlager ein letztes Mal zu sehen. Drei Jahre später, als bekannt wird, was in Katyn geschah, stellt Anna erleichtert fest, dass sich der Name ihres Mannes nicht auf der Liste der Toten befindet. Den Grund dafür haben wir in einer Parallelhandlung erfahren: Andrzej hat sich von einem Kameraden dessen Pullover mit eingesticktem Namen schenken lassen. Seine Frau ahnt davon nichts.

Nach dem Krieg taucht jener Armeekamerad (Andrzej Chyra), der sich den polnischen Einheiten der Roten Armee angeschlossen hat, bei Anna auf, um ihr den Tod ihres Mannes zu verkünden und ihr seinen Schutz anzubieten. Sie weist ihn ab. Er übergibt seine Beweisstücke - darunter das Tagebuch des Toten - einer Widerstandsgruppe. Kurz darauf, nach einem Streit im Offizierskasino über die Schuld an den Massakern, erschießt er sich. Einige Wochen später erhält Anna das Tagebuch Andrzejs.

Das ist der eine, längere Strang der Geschichte. Der andere, ein wenig kürzere handelt von der Frau eines Generals (Danuta Stenka), deren Mann ebenfalls in Katyn ermordet wurde. Die Gestapo will ihre Trauer für Propagandazwecke ausnutzen. Sie verweigert sich. Nach Kriegsende kommen ihre Kinder, die im polnischen Widerstand gekämpft haben, nach Krakau zurück. Ihr Sohn stirbt auf der Flucht vor einer russischen Armeepatrouille. Um seinen Grabstein zu bezahlen, verkauft seine Schwester ihr blondes Haar an eine Schauspielerin, die ihre Haare in Auschwitz verloren hat. "Wer die Haare eines anderen trägt, übernimmt seine Last", sagt der Friseur, der den Schopf abschneidet.

In solchen Szenen überschreitet die Symbolik des Films die Grenze zum Zwanghaften. Man sieht, wie Wajda sich müht, den Blick von seiner eigenen Biographie auf das kollektive Schicksal umzulenken, wie er Figuren erfindet, um Standpunkte zu erläutern und nicht, weil sie dramaturgisch notwendig wären. Da ist eine Kunstprofessorin, die offenbar nur auftaucht, damit sie verkünden kann, es werde ein freies Polen niemals mehr geben; oder jener Arzt, der die Dokumente von Katyn einmauern lässt, um sie vor den Häschern des kommunistischen Staates zu verstecken. Solche Menschen hat es hunderttausendfach in der Nachkriegsgeschichte Polens gegeben, und es gibt sie hundertfach in Wajdas Filmen seit "Der Kanal" und "Asche und Diamant". Hier aber wirken sie aufgesetzt. Am Ende ist "Das Massaker von Katyn" doch allein Annas Geschichte: das Drama einer vergeblichen Hoffnung und einer unerträglichen Wahrheit.

Diese Wahrheit zeigen die letzten zwanzig Minuten des Films. Was kein Zeuge je erzählt, kein Kameraauge erblickt hat, wird in ihnen mit quälender Gründlichkeit enthüllt, vom Kaliber der Mordwaffen bis zum Abdruck der russischen Armeestiefel in der Blutlache, die sich am Boden des Erschießungskellers gebildet hat. Man kann diese Bilder übertrieben grausam finden, maßlos in ihrer Akribie. Aber um ihretwillen ist "Das Massaker von Katyn" gedreht und produziert worden. Polen hat auf diesen Film sechzig Jahre lang gewartet. Im Vergleich dazu sind zwanzig Kinominuten ein Wimpernschlag.

ANDREAS KILB


Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.09.2009, Nr. 217, S. 34

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"Katyń" Wajdy "najdłużej i najmocniej oczekiwanym polskim filmem"

PAP | dodane 2007-04-11 (15:05)


"Katyń" w reżyserii Andrzeja Wajdy to "dzieło najdłużej i najmocniej oczekiwane spośród polskich dzieł filmowych" - ocenił na konferencji prasowej w Warszawie minister kultury i dziedzictwa narodowego Kazimierz Michał Ujazdowski.

Z ministrem zgodziła się dyrektor Polskiego Instytutu Sztuki Filmowej (PISF), Agnieszka Odorowicz. To być może najbardziej oczekiwany polski film ostatnich kilkudziesięciu lat - uznała Odorowicz.

"Katyń" to nowy tytuł nadany filmowi Wajdy, wcześniej dramat określano jako "Post Mortem. Opowieść katyńska". Na środowej konferencji po raz pierwszy pokazano dziennikarzom fragmenty filmu. Przypomniano, że jego uroczysta premiera odbędzie się 17 września w Teatrze Wielkim w Warszawie.

To coś więcej niż film. To również wypełnienie zobowiązania wobec pokoleń, które przeżyły wojnę, okupację, a potem lata zniewolenia. I wielkie wyzwanie przekazania prawdy młodemu pokoleniu - powiedziała szefowa PISF. Minister Ujazdowski podkreślił zaś, że film ten nie powinien być "pojmowany wyłącznie jako lekcja historii, gdyż to przede wszystkim dzieło artystyczne".

Sam Wajda zapowiedział, że "Katyń" nie przedstawi z pewnością wszystkich historycznych aspektów związanych z tą tragedią. Tytuł bierze na siebie bardzo ciężkie jarzmo. Może z niego wynikać, że film zawiera wszystkie historyczne aspekty, a to przecież niemożliwe. On opowiada historie o ludziach - ocenił reżyser.

Mówiąc o "Katyniu", Wajda wspominał reakcje publiczności na swój inny film - "Kanał" z 1956 roku. "Kanał" był zrobiony po wydarzeniach Powstania Warszawskiego i rozumiałem dobrze wszystkie żale; głosy, które zwracały się do mnie, że nie uwzględniłem różnych aspektów, że opowiedziałem jedynie tę historię - powiedział.

Wajda podkreślił, że decyzja o zrealizowaniu filmu na temat tragedii katyńskiej była dla niego najtrudniejszą w życiu. "Katyń" to dla reżysera film bardzo osobisty. Ojciec Wajdy, Jakub, oficer Wojska Polskiego, zginął w Katyniu.

Dramat "Katyń" przedstawi losy kobiet - matek, żon i córek polskich oficerów zamordowanych w 1940 roku w lasach katyńskich przez NKWD. Powstał na podstawie powieści Andrzeja Mularczyka. Autorem zdjęć jest Paweł Edelman.

W głównych rolach wystąpili: Jan Englert, Andrzej Chyra, Artur Żmijewski, Paweł Małaszyński, Władysław Kowalski, Maja Ostaszewska, Magdalena Cielecka, Danuta Stenka, Maja Komorowska i Stanisława Celińska.

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Der Film "Katyn" erzählt von einem historisch wahren Massaker im Zeichen des roten Sterns: Im Frühjahr 1940 bringt der russische Geheimdienst 14.000 polnische Kriegsgefangene um.

Wajdas Film "Katyn" hatte in Moskau Premiere

Von Paul Flückiger 20. März 2008, 09:54 Uhr

Dieser Film bewegt: Andrzej Wajdas "Katyn" hatte in Moskau im "Haus des Kinos" Premiere. Wajdas Aufarbeitung des sowjetischen Massenmordes an Tausenden von polnischen Offizieren im April 1940 rührte die Zuschauer sichtlich. Der Vorführung waren wochenlange Verhandlungen voraus gegangen.

Mit reger Anteilnahme hat die polnische Presse die russische Premiere von Andrzej Wajdas Alterswerk „Katyn“ kommentiert. Ziemlich genau einen Monat nach der Berliner Premiere, an der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahm, wurde Wajdas Film über den sowjetischen Massenmord vom April 1940 in Katyn bei Smolensk an Tausenden von polnischen Offizieren im Moskauer „Haus des Kinos“ gezeigt. Unter den gut tausend geladenen Gästen befand sich der russische Präsidentenberater für die Beziehungen zur Europäischen Union, Sergej Jastrzemski. „Ich bin sehr gerührt, dass dieser Film in Moskau gezeigt wird“, kommentierte Andrzej Wajda die russische Premiere. „Nie hätte ich gedacht, dass es dazu kommt.“

Tatsächlich waren der Vorführung wochenlange Verhandlungen vorausgegangen. Das Anliegen Wajdas soll demnach im Februar vom polnischen Regierungschef Donald Tusk direkt bei Putin vorgetragen worden sein. Die russische Militärstaatsanwaltschaft hatte den Polen während Putins Präsidentschaft eine Öffnung der Archivbestände zu Katyn verweigert, obwohl sowohl Michail Gorbatschew als auch Boris Jelzin sich offiziell für das Massaker entschuldigt hatten. Russische Zeitungen hatten zum Jahresbeginn dennoch die alte Sowjetpropaganda hervorgekramt und behauptet, die polnischen Offiziere seien 1941 von den Nazis ermordet worden.

„Wäre diese Tragödie nicht jahrzehntelang mit Lügen überzogen worden, hätte ich diesen Film nicht drehen müssen“, sagte Wajda, der in Katyn seinen Vater verloren hat. „Der Regisseur ist sehr delikat mit den schwierigsten Themen umgegangen“, lobte der russische Präsidentenberater Jastrzembski. Ähnlich wie in Polen, wo bisher weit über eine Million Zuschauer „Katyn“ gesehen haben, hätten auch in Moskau viele Zuschauer das Kino mit Tränen in den Augen verlassen. Auch die russische Presse lobte den Film, gab ihm allerdings kaum Chancen auf einen Vertrieb in regulären Kinos.

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