Mittwoch, 3. Februar 2010

Präsident oder Ministerpräsident


"Polens Ministerpräsident hält Regierungsamt für wichtiger

ul. WARSCHAU, 28. Januar. Nach langem Zögern hat der polnische Ministerpräsident Tusk am Donnerstag mitgeteilt, dass er zur Präsidentenwahl im Herbst nicht antreten wird. Stattdessen will er bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2011 die Regierung führen. "Die Regierung muss wie ein Fels sein, stabil wie ein Fundament", sagte er auf einer Pressekonferenz in Warschau. "Deshalb möchte ich nicht Präsident werden." Er wolle an keinem Wettbewerb teilnehmen, dessen Ziel "der Präsidentenpalast und die Ehre sind", sondern an "der Schlacht, deren Ziel der Zivilisationsfortschritt ist". Deshalb ziehe es ihn nicht ins Amt des Staatsoberhauptes. Um seinen "Plan" für Polen durchzuführen, brauche er "Kraft, Effizienz und Werkzeuge" - und die lägen nun einmal "bei der Regierung".

Tusk beendet mit seiner Entscheidung Spekulationen, die seit Monaten anhalten. Ausgangspunkt der Überlegungen war die strukturelle Blockade des politischen Systems in Polen. Tusks liberalkonservative Regierung sieht sich durch den nationalkonservativen Präsidenten Lech Kaczynski, der selbst wenig Gestaltungsmacht hat, aber jedes Gesetz durch sein Veto stoppen kann, an wichtigen Reformvorhaben gehindert. Deshalb hatte Tusk seit seinem Amtsantritt 2007 immer wieder gefordert, die Verfassung zu ändern. Er ließ dabei offen, ob man ein "Kanzlersystem" mit starkem Regierungschef wie in Deutschland anstreben solle oder eine Präsidialverfassung französischen Typs. Wichtig sei nur der Grundsatz: "Wer gewinnt, regiert."

Allerdings hat Tusk die Zweidrittelmehrheit im Parlament, die für eine Verfassungsänderung nötig wäre, nie erreichen können. Die nationalkonservative Partei Kaczynskis hatte zwar selbst immer einen "starken Präsidenten" verlangt, aber da Tusk trotz sinkender Umfragewerte nach wie vor keinen ernsthaften Konkurrenten hat, fürchtete sie, der Grundsatz "Wer gewinnt, regiert" werde zuletzt so oder so ihm zugutekommen. Daher konnte die Blockade nicht überwunden werden. Tusk hat daraus jetzt die Konsequenzen gezogen. Da eine Reform nicht in Aussicht ist, will er die tendenziell stärkere Position behalten. Zugleich soll ein anderer Politiker der "Bürgerplattform" Kaczynski im Herbst aus dem Amt drängen. Die Führungsblockade soll damit dadurch gelöst werden, dass die Spitzenpositionen durch Personen aus demselben politischen Lager besetzt werden. ..."


Ausschitte aus dem Artikel "Tusk will nicht Präsident werden"

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.01.2010, Nr. 24, S. 5




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