Donnerstag, 14. Januar 2010

Kosten des MBA - Der lange Weg in die Gewinnzone


Von Sebastian Balzter

10. Januar 2010

Zeit ist Geld, das weiß Kathleen Fitzgerald, immerhin unterrichtet die zierliche Frau an der Managerschule der Universität von Chicago Rechnungslegung. Ihr Redetempo ist auf Schnellhörer und Schnellmerker getrimmt, der Titel ihres Vortrags auf Zahlenmenschen: „Wie errechnet man die Rendite eines MBA-Programms?“ Nur eine halbe Stunde Zeit gibt sie sich dafür, und wie es sich für eine Wirtschaftsexpertin gehört, steht am Ende keine Zauberformel, sondern ein Excel-Arbeitsblatt. Am Anfang aber müssen sich die zwölf Zuhörer, die zu der Informationsveranstaltung des Anbieters aus Chicago in den Konferenzraum eines Frankfurter Hotels gekommen sind, eine abschreckend klingende Warnung anhören. „Unser europäisches Executive-MBA-Programm kostet knapp 80.000 Euro Gebühren“, sagt Fitzgerald. „Und das sind längst nicht alle Ausgaben, die Sie haben werden.“

Was nicht viel kostet, ist auch nicht viel wert – mit dieser Weisheit aus dem Volksmund können die Anbieter von MBA-Programmen gut leben. Der „Master of Business Administration“ ist eine der teuersten Weiterbildungen, für die sich Berufstätige entscheiden können. Ein oder zwei Jahre dauern die meisten dieser Programme, die Fachkräfte zu Führungskräften machen und Spezialisten den Blick für das große Ganze geben sollen. Unter ihren Anhängern gelten sie als die Aufstiegsformel schlechthin, als Schlüssel zur Management-Karriere – und dafür lassen sich die führenden Anbieter eben auch erstklassig bezahlen: An der Harvard Business School, deren 1908 aus der Taufe gehobener MBA als einer der ältesten überhaupt gilt, sind für das Standardprogramm rund 44.000 Dollar fällig; die renommierte spanische Managerschmiede IESE verlangt fast 68.000 Euro Studiengebühren; auch etablierte deutsche Adressen wie die Mannheim Business School sind nichts für Schnäppchenjäger: 29.000 Euro kostet dort die Teilnahme am zwölfmonatigen Vollzeit-Programm. Da stellt sich die Frage, auf die Kathleen Fitzgerald an diesem Abend eine Antwort verspricht, fast von selbst: Lohnt sich das? (Klicken Sie sich dazu auch durch unsere Fallbeispiele: Fünf Fallbeispiele zur Rendite eines MBA-Studiums).

230 Programme allein in Deutschland

Für die MBA-Schulen selbst offenbar schon. Jedenfalls nimmt ihre Zahl beständig zu: Rund 2000 Anbieter mit mehr als 5000 verschiedenen MBA-Programmen gibt es schätzungsweise auf der Welt. Allein in Deutschland sind es einer Studie der Personalberatung Staufenbiel zufolge zurzeit 230 verschiedene Programme von 130 Anbietern; neben Mannheim gehören hier die Handelshochschule in Leipzig, die WHU in Vallendar und die Goethe Business School in Frankfurt zu den angesehensten Adressen. Übereinstimmend behaupten sie zwar, dass nicht der MBA mit seinen happigen Kosten für Dozenten, Räume und Material Geld in ihre Kassen bringt, sondern erst die sogenannten Executive-Weiterbildung, die eigens auf Unternehmensbedürfnisse zugeschnitten ist. Aber ohne zufriedene MBA-Absolventen keine Executive-Kunden, so lautet für sie die einfache betriebswirtschaftliche Gleichung.

Für die Teilnehmer dagegen ist die Kosten-Nutzen-Rechnung komplizierter. Elf variable Faktoren hat Kathleen Fitzgerald in ihr Datenblatt aufgenommen, hier sind zum Teil handfeste individuelle Auskünfte gefordert: Wie hoch ist das derzeitige Gehalt? Wie viel Geld verlangt die auserkorene Managerschule für ihr MBA-Programm? Welche Reisekosten fallen darüber hinaus an? Und wie viele Erwerbsjahre bis zur Rente sind voraussichtlich noch übrig, in denen sich die Investition in die Karriere bezahlt machen kann?

Zum Teil aber geht es auch um butterweiche Annahmen. Die entscheidende ist: Wie wird sich das Gehalt mit MBA-Titel entwickeln – und wie ohne? Einschlägige Daten dazu sammeln unter ihren Absolventen die einzelnen Schulen selbst, aber auch die Ersteller von MBA-Ranglisten wie die britische Zeitschrift „The Economist“ geben Orientierungshilfen. Mit der Sorgfalt einer Buchhalterin weist Kathleen Fitzgerald darauf hin, dass stets Vorsicht geboten ist, wenn Erfahrungswerte aus der Vergangenheit auf die Zukunft projiziert werden– setzt dann aber für ihre eigene Beispielrechnung optimistisch einen jährlichen Gehaltszuwachs von 5 Prozent für Beschäftigte mit den drei Großbuchstaben auf der Visitenkarte an. Für alle anderen geht sie von einem Plus von 3 Prozent aus, schließlich beendet die Entscheidung gegen den MBA die Karriere ja in aller Regel nicht.

Auf dem Konto würde das Geld Zinsen bringen

Dieses Detail lassen MBA-Aspiranten jedoch oft außer Acht – genauso wie die nicht ganz unerhebliche Tatsache, dass sie die fünfstellige Summe, mit der sie für Studiengebühren, Reise-, Flug- und Verpflegungskosten rechnen sollten, mit einem netten Zinsertrag auch aufs Festgeldkonto einzahlen oder mit der Aussicht Dividende und Kursgewinn in Aktien anlegen könnten. Außerdem unterschätzen viele von ihnen, welche Einnahmen ihnen durch eine bis zu zweijährige Pause entgehen – und dass es selbst mit dem MBA-Abschluss in der Tasche keine Garantie dafür gibt, dass die Rückkehr in den Beruf, der Wechsel in eine andere Branche oder der Aufstieg auf die nächste Hierarchiestufe ohne Stolpern über die Bühne geht. Anders ließen sich etwa die Erwartungen nicht erklären, die aus einer Umfrage der Frankfurter Goethe Business School unter den derzeitigen Teilnehmern an ihrem einjährigen Vollzeit-MBA-Programm hervorgehen: Die meisten von ihnen rechnen damit, spätestens drei Jahre nach dem Abschluss ihre Investitionen – darunter Studiengebühren von 19.000 Euro – wieder eingespielt zu haben. Dass es länger als fünf Jahre dauern könnte, glaubt nur ein einziger.

Kathleen Fitzgerald kommt mit ihrem Modell für das zweijährige Teilzeitprogramm ihrer Schule auf eine deutlich längere Amortisationsspanne: Zu den Gebühren addiert sie zunächst gut 22.000 Euro für Flugtickets und Übernachtungen, setzt eine Inflationsrate von 3 Prozent, Kosten für Zinsen oder entgangene Einnahmen aus dem angelegten Kapital von 7 Prozent und ein Einstiegsalter von 35 Jahren an. Unter diesen Voraussetzungen bliebe der Cashflow aus der Investition namens MBA neun Jahre lang negativ. Erst im zehnten Jahr übersteigt der Gewinn aus der angenommenen steileren Vergütungskurve die Kosten.

Eine Frage für Philosophen

Je länger man danach im Job bleibt, desto einträglicher wird das prognostizierte Gehaltsplus: 30 Jahre nach der Entscheidung für den MBA sollte es sich auf stattliche 1,3 Millionen Euro summiert haben. Doch auch daran legt Fitzgerald noch einmal die finanzmathematische Schere. „Geld aus der Zukunft ist nicht so viel wert wie das Geld von heute“, sagt sie mit Nachdruck. Es gelte deshalb, einen Abschlag einzukalkulieren, um den Zeitwert der Summe zu ermitteln. Das Ergebnis ist immer noch beachtlich: 272.488 Euro. So viel ist, wenn alle Erwartungen sich erfüllen, das MBA-Studium für den Modellteilnehmer wert.

Lohnt sich die Investition also? Das, räumt Fitzgerald in überraschend nachdenklichem Ton ein, sei eigentlich keine Frage für Rechner, sondern eine für Philosophen. Es gehe bei dieser wie bei allen anderen Entscheidungen letztendlich darum, das Lebensglück zu steigern. Doch rasch kehrt das gewohnte Stakkato in ihre Worte zurück. „Glück kann abhängig sein von Geld. Von Reisen. Von Familie. Von Spaß.“ Streng wirft sie noch einen Blick in die Runde. „Sie werden jetzt darüber nachdenken müssen, was für Sie Glück bedeutet.“ Dann ist ihre halbe Stunde um.

Text: F.A.Z

Zum Thema:

Fünf Fallbeispiele zur Rendite eines MBA-Studiums

Der entzauberte MBA

Harvard schwört der Gier ab

Keine Kommentare: