Samstag, 9. Januar 2010

Wintervögel



von CARL ZUCKMAYER

Kommt der erste Schneesturm angeschnoben,

Hängt der Talgring schon am Giebel droben.

Sorgt euch nicht! In einem trocknen Eckchen

Baumelt prallgefüllt das Erdnußsäckchen.

Sonnenblumenkern mit Hanf und Lein

Werden reichlich vor dem Fenster sein.


Da der Kleiber taktstockmäßig klopft,

Läßt die Haubenmeise, spitzbeschopft,

Ihren wirschen Flötentriller los,

Und der Grünling kreischt tempestuos.

Weht ein Zirpen aus dem Schwarzgetann,

Welches nur ein Goldhähnchen sein kann.


Mit der Fastnachtsmaske vorm Gesicht,

Denkt die Blaumeise, man kennt sie nicht!

Stolz der Dompfaff wölbt den roten Bauch,

Und der Bergfink seinen bunten auch.

Glaubt man Blut auf falbem Flaum zu sehn,

Dürfte sich’s um einen Hänfling drehn.


Ach was hat dies Rotkehlchen verführt,

Daß es nicht den Drang zum Wandern spürt!

Andre seinesgleichen schnalzen jetzt,

Wo der Kalif Storch den Schnabel wetzt.

Doch vielleicht auch ließ man sie bereits

Bruzzeln in der italien’schen Schweiz.


Dicke Amsel auf dem kahlen Ast,

Wo du jetzt noch deinen Schmer her hast?

Oder plusterst du dich nur aus Wut,

Wenn du siehst, was sich im Rinnstein tut?

Unbestritten hält dort seinen Platz,

Wie im Sommer, der gemeine Spatz.


Hundertmal das Hälschen ausgereckt,

Eh den Schnabel man ins Futter steckt!

Lautlos schleicht der Katzenfuß im Schnee,

Und der Stößer kreist in Wolkenhöh.

Viel zu viele gehen drauf alljährlich.

Paßt nur auf! Das Leben ist gefährlich...


Doch ihr wisst, dass man dem schwarzen Mann

Hinterm Fensterkreuz vertrauen kann.

1 Kommentar:

Doleys hat gesagt…

Zuckmayer als Vogelfreund, kannte ich noch gar nicht, schön, mit passendem Foto!