Es läuft schlecht.
Der Arbeitsalltag fühlt sich irgendwie falsch an. Das lässt sich ändern - auch ohne einen Stellenwechsel.
Von Ursula Kals
Die Lust auf rund 220 neue Tage Büro hält sich in Grenzen. Der Kopf brummt, der Blick auf den beachtlichen Stapel "Unerledigtes" setzt nicht eben Glücksgefühle frei. Öde oder wahlweise zu viel Arbeit, ein fordernder Chef, klatschsüchtige Kollegen - Gründe, sich ungern an den Schreibtisch zu begeben, lassen sich viele finden. Die jährliche Gallup-Studie liefert die Zahlen: Rund zwei Drittel aller Beschäftigten sind unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz.
Dabei übersehen sie möglicherweise eines: "Jeder ist Gestalter der Stimmung, das verkennen viele", bedauert Stephan Lermer. Gerne zur Arbeit zu gehen, dafür kann man selbst etwas tun. "Es geht um das Duo Einstellung und Verhalten", sagt der Münchener Psychologe und zitiert den Schriftsteller Manès Sperber: "Das Glück ist eine Überwindungsprämie." Anstatt sich über den Aktenberg zu grämen, hilft eine andere Haltung, die Lermer skizziert: "Ich nehme auch Aufgaben an, die nicht meine Präferenz sind, das sind Lästigkeiten, davon lasse ich mich nicht dominieren." Der promovierte Psychologe zitiert den Begriff Dienstleistung, "ich diene und leiste, dafür werde ich bezahlt". Lermer ermutigt, mehr an sich abprallen zu lassen, "agieren, weniger reagieren und sich von schlechter Laune anstecken lassen". Betritt jemand lächelnd das Büro, steigt nicht nur dessen Stimmung. "Freundlichkeit hat eine große Rendite, man zeigt ein Lächeln und erntet viele."
Schon kleine Änderungen können den Arbeitstag vergnüglicher gestalten. Zum Beispiel, einen anderen Weg zur Arbeit zu wählen, ein Stück zu Fuß gehen. "Die Routine unterbrechen, die mich ins negative Gefühl bringt", empfiehlt die Kölner Wirtschaftspsychologin Uschi Gersch und: "Den Tag neu strukturieren, mehr Freiraum schaffen, indem man etwa konsequent zwischen neun und elf Uhr nicht ans Telefon geht."
Den üblichen Tipp, zuerst die unangenehmste Aufgabe in Angriff zu nehmen, hält Psychologe Lermer nur bedingt für tauglich. Das sei nur etwas für Introvertierte, die früh morgens schon zu Hochform aufliefen. Seine Strategie: "Wenn man etwas ganz Unangenehmes machen muss, sich nicht davor drücken, sondern sich etwas noch Unangenehmeres ausdenken, was man dann als Alternative machen müsste, also zum Beispiel das Archiv sortieren."
Natürlich lassen sich viele Probleme nicht einfach weglächeln. Um die Gründe der Unzufriedenheit aufzuspüren, sollte man die Situation analysieren. Was macht mich konkret unglücklich? Ist es die Aufgabe, der Chef, bin ich unter- oder überfordert, stören mich die Räume? "Stellen Sie sich vor, die Fee kommt und sagt: Alles wird gut, was werden Sie als Erstes ändern?", rät die Berliner Psychologin Brigitte Scheidt.
Manchmal genüge es, sich ein Stück mehr Raum zu nehmen, den Schreibtisch anders zu stellen und das Büro mit einem Lieblingsbild aufzuhübschen. Und Dinge, die für die eigene Leistung stehen, um sich zu versammeln. "Das kann eine Urkunde oder ein bestimmtes Geschenk als Sinnbild für die eigene Wertigkeit sein", sagt Karriereberaterin Scheidt. Wer mit seiner Arbeit hadert, der sollte sich seine Stärken vergegenwärtigen, aufschreiben, warum er für das Unternehmen wichtig ist. Wem das schwerfällt, der kann einen guten Freund bitten, das zu tun. Im zweiten Schritt kann man bei der Personalentwicklung oder den Vorgesetzten um neue, herausfordernde Aufgaben bitten. "Das wird nicht immer an einen herangetragen, da muss man selbst aktiv sein", sagt Brigitte Scheidt.
Ebenso fatal wie Unterforderung ist Überforderung. "Hier muss man Grenzen setzen, Konflikte riskieren. Denn wenn ich alles machbar mache, laufe ich irgendwann auf dem Zahnfleisch. Es ändert sich aber nichts", warnt Brigitte Scheidt. Hilfreich sei, sich anzuschauen, wer im Kollegenkreis keine Überstunden ohne Ende leiste, wem keine Zusatzarbeiten aufgedrückt werden. "Und schauen, was macht derjenige anders? Für Bravsein wird man nicht belohnt, nicht geachtet und respektiert", sagt Scheidt. Nein zu sagen funktioniert auch indirekt, "indem man zivilisiert fordert", sagt Stephan Lermer. Drängt der Chef spät mit einem Eilauftrag, bietet der Mitarbeiter an: Das mache ich gerne morgen. Passt Ihnen 10 oder 11 Uhr besser? Lermer erklärt: "Der Chef hat das Gefühl, er kann wählen."
Schwierigkeiten mit dem Vorgesetzten gehören quasi zum Standardrepertoire der Unzufriedenen. "Was will, was braucht mein Chef?" Mit dieser Schlüsselfrage ermutigt Brigitte Scheidt nicht zur Anbiederei, aber zum Perspektivenwechsel. "Also beim Chef nachfragen: Was verstehen Sie unter Erfolg? Das trägt zur Klärung bei." Ist mein Chef lösungsorientiert, ist es sinnlos, vor ihm viele Details zu referieren. Lege ich großen Wert auf Pünktlichkeit, meinem Chef ist das aber egal, ist es albern, als Erster zu kommen. Stephan Lermer setzt auf Empathie: "Der hat es schwer mit sich selbst, ich schenke auch einem blöden Chef unverdientermaßen ein Lächeln, meine Präsenz, strahle Souveränität aus." Die Gefahr sei allerdings, es damit zu übertreiben und arrogant zu wirken.
Distanz entschärft Konflikte mit Kollegen. Stephan Lermer sagt: "Hören Sie auf, sich zu ärgern, lassen Sie sich nicht zum Mülleimer missbrauchen. Sonst gibt es Frustration." Uschi Gersch rät, sich in die anderen hineinzuversetzen, "zu überlegen, wie die über mich, untereinander über sich denken, welche Netzwerke, Antipathien bestehen". Diese sogenannten zirkulären Fragen verschaffen Abstand.
Brigitte Scheidt empfiehlt, mehr auf das Tun als auf die Person zu gucken: "Was ist der eigentliche Konflikt, was stört mich an den anderen? Habe ich ihm das mal gesagt, weiß der das?" Klärt man kleine Konflikte früh, eskalieren sie selten. Ein Beispiel: Zwei Kollegen teilen sich ein Büro, der eine ist kommunikativ, plaudert gerne über das, was er gerade tut oder zu tun gedenkt. Der andere arbeitet still und ist gut beraten, um ein offenes Gespräch zu bitten und seine Kritik in Ich-Botschaften zu verpacken: "Ich merke, dass ich schlecht arbeiten kann, wenn viele Leute im Raum sind oder ich oft angesprochen werden. Haben Sie eine Idee, wie man das klären kann?" Wenn die beiden dann ein Signal oder Zeiten für Austausch und Kollegenplausch vereinbaren, klappt die Arbeit besser.
Ein Patentrezept für berufliches Glück gibt es nicht, wohl aber für mehr Zufriedenheit. Uschi Gersch rät zur Zielüberprüfung. "Inwieweit habe ich meine ursprünglichen Ziele verfehlt? Stimmt mein Lebensziel mit meiner inneren Verfasstheit überein?" Habe ich eine große Karriere angestrebt und bleibe irgendwo im mittleren Management hängen? War das utopisch, und passt das, was ich erträumt habe, vielleicht gar nicht mehr zu mir? Uschi Gersch coacht aber auch Erfolgsverwöhnte, die Karriere gemacht haben, aber unzufrieden sind. Das seien häufig Männer um die 50, denen Leistung und Erfolg eine Zeitlang Spaß gemacht haben, die aber versäumt haben zu erkennen, "dass es Muße, Nachdenken und Nichtstun gibt im Leben".
Manche berufliche Unbill muss ich möglicherweise ertragen, weil da die Hypothek fürs Haus und Kinder sind. "Dann beschließen Sie für eine begrenzte Zeit, dass der Job zum Füllen des Kühlschranks dient. Wichtig ist, dass Sie dies entscheiden und so nicht Opfer sind", sagt Brigitte Scheidt. "Probleme, die nicht zu lösen sind, sollte man anerkennen und nicht als inneren Arbeitsverhinderer einsetzen", meint auch Uschi Gersch und schlägt vor: "Wo kann ich außerhalb des beruflichen Kreises Ausgleich finden, dem Leben Inhalt oder Sinn geben?" Das können Führungsaufgaben in einem Verein sein, ein Stück Anerkennung verschafft vielleicht der Posten als Elternsprecher. Wer sich im Job unterfordert fühlt, den fordert ein Fernstudium. "Sozial wunderbare Dinge, abenteuerliche Sportarten, all das kann zum wichtigen Lebensmittelpunkt werden."
Text: F.A.Z., 02.01.2010, Nr. 1 / Seite C1
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